Zwei alte Fälle

betr.: 37. Geburtstag des TV-Films „Columbo: Make Me A Perfect Murder“

Was Recherche zur Qualität eines Drehbuchs beitragen kann, läßt sich am Beispiel zweier aufeinanderfolgender Episoden der Serie „Columbo“ sehr gut beobachten. (Sie beenden gewissermaßen die erste Columbo-Ära der 70er Jahre, die nach einer weiteren Folge endete.)

Columbo

M. A. als der frisch nach L. A. versetzte Columbo (c.a. 1966)

Make Me A Perfect Murder“ („Mord in eigener Regie“ / https://www.youtube.com/watch?v=srtyYmrLr-Q) spielt in einem Fernsehsender, also in der Welt derjenigen, die TV-Krimis herstellen. Wie üblich ist die Täterin, die unser Held überführen muß, von Anfang an bekannt: eine universalbegabte, überaus ehrgeizige Producerin (gespielt von Trish Van Devere). Ihr erster Auftritt zeigt sie bei der Mischung eines Fernsehspiels (neudeutsch: eines TV-Movies). Das Publikum tut einen Blick hinter die Kulissen, der in jeder „Sendung mit der Maus“ gut funktioniert hätte. In einer für die Handlung völlig sinnlosen, aber für die Figurenzeichnung und den Rhythmus der Geschichte famosen Szene wird Columbo in einer Regiekabine allein gelassen und spielt an den Knöpfen herum, wodurch sich eine Art Testbilder-Ballett entfaltet (zur Musik von Patrick Williams). Ganz so sinnlos ist diese Sequenz vielleicht doch nicht, denn im besagten Sender wird gerade eine musikalische Revue aufgezeichnet.* Im klassischen Standardwerk zur Serie „The Columbo Phile – A Casebook“** wird dieser Fall unangemessenerweise als der schwächste der letzten Staffel geschmäht – ich sehe es genau umgekehrt. Der Film profitiert nicht nur von der beiläufig (!) gezeigten Detailfülle des Fernsehbetriebs sondern auch von einer charismatischen (keineswegs gefälligen) Heldin, die sich – aus Eifersucht mordend – den moralischen Brücken, die ihr der Inspektor baut, eisern verweigert und ihm bei ihrer Festnahme gar beteuert, sie werde nicht aufgeben und möglicherweise sogar gewinnen. Die Mordsequenz läßt uns an ihren Mühen, für ein Alibi zu sorgen, in optimaler Weise teilhaben. Das erinnerte mich an das Gefühl der Hilflosigkeit, das Alfred Hitchcock in „Fenster zum Hof“ erzeugt, wenn unsere Beobachterperspektive mit der des gelähmten Helden identisch ist. Wenn sich die von Columbo ausgelegten Fallstricke immer enger um die Täterin zusammenziehen, hat man fast Mitleid mit der Ärmsten.

Die nächste Episode „How To Dial A Murder“ („Mord per Telefon“ / https://vimeo.com/30281164) wird von den Fachleuten besser besprochen, ist aber weitaus nachlässiger gearbeitet. Wir lernen einen Motivationscoach (Nicol Williamson) kennen – ein Beruf, der es in den letzten Jahren auch bei uns zu großer Konjunktur gebracht hat. Gleich zu Beginn sehen wir ihn bei der Arbeit (später nicht mehr). Von Motivationstraining verstanden die Macher dieser Folge offensichtlich nichts, denn die besagte Szene wirkt beinahe, als hätte man den Darsteller improvisieren lassen und ihm weder einen Text noch irgendwelche Regieanweisungen gegeben. Als Neben-Sujet wird dessen fanatische Liebe zum Kino etabliert, die auch die Durchführung des Mordes anregt. Leider sind die Kino-Bezüge aufdringlich und gesucht (obwohl die Produktion ja in Hollywood entstand und „der Film“ für alle Beteiligten allgegenwärtig war). Die beiden menschenfressenden Dobermänner heißen ausgerechnet „Laurel & Hardy“, und die Fotogalerie der Mördervilla sieht aus, als wäre sie innerhalb einer halben Stunde aus einem mittelmäßig sortierten Postergeschäft zusammengekauft worden. Gaststar Nicol Williamson scheint nicht recht bei der Sache zu sein. (Dieser Eindruck erhärtet sich etwas, wenn man liest, dass er nichts über die Dreharbeiten zu erzählen wußte, als er Jahre später zum Thema „Columbo“ interviewt wurde.)

Die Qualitäten von „Make Me A Perfect Murder“ sind leiser (ich möchte fast sagen: hanseatischer) als die von „How To Dial A Murder“, aber im Gegensatz zu diesem besinnt er sich in vorbildlicher Weise auf das Genre, um das es in beiden Fällen geht: das psychologische Kammerspiel.

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* Bei der Erstausstrahlung von „Make Me A Perfect Murder“ in der ARD (21.10.1984) wurde die Regiekabinenszene geschnitten und erst von RTL (11.1.1993) wieder eingefügt.
** Mark Dawidziak: „The Columbo Phile – A Casebook“- A complete and illustrated history of Television’s finest mystery series; The Mysterious Press, 1989

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