Die wahre Geschichte von „Dirty Dancing“

betr.: 57 Gebrurtstag des Films „Marjorie Morningstar“

In jenen weit zurückliegenden Zeiten, als es noch Fernsehansagerinnen gab, wurde der Film „Marjorie Morningstar“ einmal mit den Worten angekündigt: „Diesen Film sollten Sie sich ansehen, denn Gene Kelly tanzt hier fast so toll wie Patrick Swayze in ‚Dirty Dancing‘!“
In dieser tapsigen Einführung schien völlig unbewußt eine sonst taktvoll verschwiegene Wahrheit auf: „Dirty Dancing“ ist schon dagewesen. Jene Romanze eines Teenie-Mädchens mit einem „älteren Mann“ in einem Feriencamp, die sich Eleanor Bergstein ausgedacht haben will, ist der zweite Akt einer Herman-Wouk-Verfilmung mit Gene Kelly.

Marjorie Morningstar_FSoundtrack-Album von Gene Kellys „Übergangsfilm“ mit Natalie Wood in der „Baby“-Rolle

Etwas mehr, als das bei ihrem uneingestandenen Remake „Dirty Dancing“ der Fall ist, wird hier die jüdische Herkunft der jungen Heldin (gespielt von Natalie Wood) thematisiert, die dem säkularen Zauber der leichten Muse erliegt.
Beide Filme spielen in den Catskills, einem Feriengebiet für wohlhabende jüdische Sommerfrischler im Staate New York. Das Unterhaltungsangebot des „Borscht Belt“ war viele Jahre lang der Durchlauferhitzer für die US-Comedyszene: Danny Kaye, Woody Allen, Jerry Lewis und Dean Martin, George Burns und Lenny Bruce begannen hier ihre Karrieren.

„Marjorie Morningstar“ kam 1958 in die Kinos, im selben Jahr, in dem das Filmmusical als volkstümliche Kunstform offiziell und durchaus glanzvoll beerdigt wurde: mit „Gigi“, dem Abschluß der betreffenden MGM-Produktion. („Dirty Dancing“ spielt im Sommer 1963.)
Gene Kelly, der sich in den zurückliegenden zehn Jahren zum Titelhelden dieses Genres emporgetanzt hatte, mußte sich nach neuen Aufgaben umsehen. Während sein einziger ernstzunehmender Konkurrent, der um einiges ältere Fred Astaire, ins reine Schauspielfach wechselte, führte Kelly noch im selben Jahr Regie am Broadway (es blieb ein einmaliger Ausflug).
„Marjorie Morningstar“ ist so etwas wie sein Versuch eines weichen darstellerischen Übergangs: als musikalischer Tausendsassa im Ferienlager tanzt Kelly nicht nur und bandelt mit der blutjungen Natalie Wood an, er komponiert auch, choreographiert und singt. Der Liebling des Ferienlagers – hier nennt er sich Noel Airman, heißt aber in Wahrheit Ehrmann, was weniger sexy klingt – läßt sich von den Huldigungen seiner Mitarbeiter und seiner jugendlichen Bewunderer dazu verleiten, mit seiner Show „Prinzessin Jones“ an den Broadway zu gehen. Das geht gründlich schief, aber die Geschichte hat noch ein kluges Nachspiel.
Gene Kelly stand danach nur noch gelegentlich vor der Kamera. Es waren fast immer Rollen wie die des Noel Airman – Genre- und Selbstparodien im weitesten Sinne. Er wurde in den folgenden Jahren zum Kinoregisseur (zum Beispiel bei der Verfilmung des Broadway-Hits „Hello, Dolly!“) und trat immer wieder in dokumentarischen Kompilationsfilmen auf, in denen der Beruf des „Song And Dance Man“ gefeiert wurde.

„Marjorie Morningstar“ hat weitaus weniger Furore gemacht als „Dirty Dancing“ – sonst wäre dieser Artikel ja nicht nötig. Aber es ist einer jener Filme, die trotz ihrer kleinen Defekte etwas zu erzählen haben, und ein authentischer Ausflug in die Welt von Johnnie und Baby Frances.

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