Our Huckleberry Friend

betr.: 39. Todestag von Johnny Mercer

Holly Golightly, die gitarrespielend auf der Feuertreppe sitzt, hat Truman Capote uns genau beschrieben: wie sie „mit der heiseren, gebrochenen Stimme eines heranwachsenden Jungen“ sang, dass sie alle Musical-Hits kannte – Cole Porter, Kurt Weill und besonders gern die Songs aus „Oklahoma!“, „die in jenem Sommer neu und überall zu hören waren“. Manchmal verblüffte sie den Ich-Erzähler mit „rauh-zärtlichen, umherirrenden Melodien, die nach Südstaaten-Nadelwäldern oder der Prärie schmeckten“ und bei denen er sich fragte, wo sie die gelernt haben mochte.
Die Antwort erhielt die Welt erst wenige Jahre später, als Audrey Hepburn in der berühmten Verfilmung von „Frühstück bei Tiffany“ zur Gitarre griff und „Moon River“ sang: die Musik ist von Henry Mancini, der Text von Johnny Mercer.

Mercer ist selbst ein Mann aus dem Süden, der Wiege des Jazz, der Heimat von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Truman Capote und Tennessee Williams, Ray Charles und Louis Armstrong.*

Wie schön dieser Süden ist – dem Vernehmen nach ist, denn ich bin noch nicht dortgewesen -, merkt man daran, dass auch das langsam erwachende Bewußtsein für seine blutige Vergangenheit seinen Zauber nicht zerstört hat.
Es mußte jemand wie Quentin Tarantino kommen, um einem bestens unterhaltenen, großen Publikum zu zeigen, wie gruselig es zugegangen sein mag im grand old south.
Und dennoch haben die meisten von uns noch immer – bewußt oder unbewußt – eine persönliche Südstaaten-Hitparade.

Zu meiner gehört „Zip-A-Dee-Doo-Dah“ aus dem Disney-Film „Song Of The South“. Es gab eine Zeit, da wurde diese Kombination aus Real- und Zeichentrickfilm sogar im deutschen Fernsehen gezeigt. Im Moment ist das Werk unter Verschluß, weil der gemütliche schwarze Kinderfreund Uncle Remus mit seiner Latzhose und seiner Baßstimme eine zu biedere, harmlose Figur sei, eine Art „Onkel Tom“. (Meine Güte, haben die Leute denn sonst keine Sorgen?)
Besonders liebe ich „Shine On Harvest Moon“, ein Folklorestück, das Oliver Hardy in einem Film gesungen hat und das ich später in der Serie „Roots“ wiederhörte. Ach, dieser Oliver Hardy – der auf den ersten Blick (!) weniger effektvolle Teil des Duos Laurel & Hardy, der so wunderschön sang und der tragischerweise nie in ein Plattenstudio bestellt wurde.

Oliver Hardy kommt aus Georgia. „Georgia On My Mind“ kennen wir von so ziemlich jedem bedeutenden Interpreten des frühen Pop-Zeitalters, aber die Version von Ray Charles ist irgendwie die beste. (Zugegeben: bei ihm würde sich auch „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ wie ein Südstaaten-Blues anhören …)
Zunächst hat Ray Charles seinen Signature-Song „Georgia On My Mind“ nur privat vorgetragen – im Tourbus zum Beispiel. Und das wohl ziemlich oft.
Irgendwann reichte es dem Chauffeur, und er beschwerte sich: „Mr. Charles! Wenn Ihnen dieses Lied so viel bedeutet, dann nehmen Sie es doch bitte in Ihr Bühnen-Repertoire auf! Ich habe davon jedenfalls genug!“
Der Mann hatte recht! So ist viel besser für alle Beteiligten.

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* Siehe auch https://www.220.ro/desene-animate/Cow-Chicken-4x13a-The-Cow-Chicken-Blues/0NLEZ5NSiU/

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