Als die Glotze noch Trauer trug

betr.: 29. Todestag von Cary Grant

Hollywoodstars waren einmal so groß, sich das TV-Programm änderte und dass über ihr Ableben mit einem Filmausschnitt in der Tagesschau berichtet wurde, eines zusammenhängenden Filmausschnitts, der eine winzig kleine Geschichte erzählte. Bei der Wahl des Clips ließen die Redakteure stets auffallend guten Geschmack walten.
Als der Tod von Cary Grant gemeldet wurde, gab es eine kurze Szene aus „Über den Dächern von Nizza“ zu sehen.
Sie spielt vor einem Friedhof. Grant hat einer Beerdigung beigewohnt, die er etwas vorzeitig verlassen hat. Vor der Friedhofsmauer wartet die wunderschöne Grace Kelly in einen schicken Flitzer auf ihn (jene Grace Kelly, die unweit dieses Drehortes wenige Jahre vor der besagten Tagesschau mit ihrem Wagen tödlich verunglückt war).
Cary Grant freut sich nicht etwa, sie zu sehen, wie es vermutlich jeder andere Mann getan hätte – die beiden haben gerade einen kleinen Konflikt, und sie ist erschienen, um sich zu entschuldigen.
Nach einem kurzen Wortwechsel, der diesen Zwist aufgreift, will Cary Grant weitergehen, doch Grace Kelly hält ihn am Arm fest und sagt so etwas wie: „Haben Sie denn noch nicht gemerkt, dass ich Sie liebe?“
Im Gegenschuß ist ein sehr irritierter, schweigender Grant zu sehen, aus einem etwas sonderlichen Blickwinkel.

Mir ist natürlich bewußt, dass die verschwundene Größe und Magie des Filmstars an sich nicht der einzige Grund für die geänderten Trauergewohnheiten unser TV-Sender ist. Ein weiterer sind die Sehgewohnheiten, die uns von deren Seite unterstellt und dadurch auch verwirklicht werden.

Unvergessen ist mir auch Orson-Welles-Filmclip vom Jahr zuvor, eine weitere Glanzleistung auf diesem Gebiet.
Hier wurde – natürlich – auf „Der Dritte Mann“ zurückgegriffen, jenen Film, in dem der Hauptdarsteller Welles alias Harry Lime erst nach einer Stunde erstmals auftritt.
Entsprechend war auch der Clip gehalten: hauptsächlich sehen wir eine Katze, die durchs nächtliche Wien tigert. Angekommen, reibt sie sich an einem Hosenbein, dessen Besitzer in einem dunklen Hauseingang steht.
Im Gebäude gegenüber wird Licht gemacht, und das Mondgesicht des geheimnisvollen Mr. Lime ist nun zu erkennen. Er beginnt zu lächeln.
Ende des Ausschnitts.
Großartig!

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