And don’t get so fresh!

betr.: 118. Geburtstag der „Katzenjammer Kids“

Nun leben wir schon seit gut 30 Jahren in einer immer übervorsichtiger formulierenden Zeit. Es wird gegendert, das das Satzgefüge ächzt*. Selbst an Astrid Lindgren – rassistischer Tendenzen weiß Gott unverdächtig – wird herumgepopelt, und während unser Sprachgebrauch in seriösen Druckerzeugnissen vor allem den Zweck hat, politisch unverfänglich zu sein (weniger den, zur Verständigung untereinander beizutragen), besinnt sich das reale Europa auf seine nationalistische Vergangenheit zurück.
Es wird höchste Zeit, sich zu erinnern, wie urkomisch der deutsche Humor war, als man sich über regionale Unterschiede noch lustig machen durfte, ohne gleich der Zersetzung verdächtigt zu werden, als allen einvernehmlich klar gewesen ist (zumindest etwas klarer als im Augenblick), dass ein Miteinander nicht aus der Leugnung von Unterschieden besteht sondern in ihrer Anerkennung.
Man kann ja gleich bei sich selbst anfangen, bei den Deutschen im Ausland – allweil eine Mordsgaudi.

Katzenjammer Kids 1
Katzenjammer Kids 2
Max und Moritz lassen grüßen – wenn sie auch bei der Erschaffung der „Katzenjammer Kids“ nicht Pate standen. – Aus einem Comic von Rudolph Dirks.

Die „Katzenjammer Kids“ sind vor mehr als einem Jahrhundert einer der ersten Comics überhaupt gewesen, und in den USA erscheinen sie noch heute. In meiner Kindheit wurden sie in den „Peanuts“-Heften mit abgedruckt, aber sie gefielen mir nicht besonders. Kein Wunder – hier haben wir es mit einem wahrhaftig unübersetzbaren Produkt zu tun, das seinen Humor nämlich aus dem vergeblichen Versuch bezieht, die englische (amerikanische) Sprache zur Anwendung zu bringen.
Die nicht zufällig an Max und Moritz erinnernden streichespielenden Bengels Hans und Fritz stammen aus der Lower East Side, wo sich neben vielen Einwanderern aus aller Welt** 320.000 Deutschstämmige drängelten.

Auf dem deutschen Comic-Markt sucht man die „Katzenjammer Kids“ vergeblich – weil Altes es schwer und immer schwerer hat, weil Comics es ohnehin besonders schwer haben, wegen der erwähnten Unmöglichkeit einer Übersetzung, weil Kinder inzwischen nicht einmal mehr im Comic frech sein dürfen und vermutlich auch, weil „die Deutschen“ hier ausnahmsweise nichts dagegen haben, komisch zu sein.
Vor drei Jahren erschien ein winziges Büchlein mit dem Titel: „Rudolph Dirks: Katzenjammer, Kids & Kauderwelsch“, das als Beitrag zur schleswig-holsteinischen Folklore herausgegeben wurde – der genannte Schöpfer dieses Comics war ein Auswanderer aus Dithmarschen.
Auch dieses vorerst letzte Lebenszeichen unserer mutierten kleinen Landsleute ist längst nicht mehr im Handel. Eine (Wieder)entdeckung von Hans und Fritz wäre nicht nur saukomisch, sie wäre einfach ein gutes Zeichen.

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* siehe dazu auch den Blog vom https://blog.montyarnold.com/2015/10/25/dieter-heisst-jetzt-max/
** siehe dazu auch den Blog vom https://blog.montyarnold.com/2015/10/10/wiederholung-von-1898/

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