Ein Genie auf Hartz IV

betr.: Ausstellung „The Summer Of Love Experience“ im de Young Museum, San Francisco

Robert Crumb wuchs in einem weißen Mittelschichthaushalt mit mehreren Geschwistern auf. Der Vater war beim Militär und wechselte oft den Standort, was für die Familie dauerndes Umziehen bedeutete – und eine Erziehung, die auf Drill und Einschüchterung aufbaute. Die Eltern verstanden sich nicht, und Mutter flüchtete in den Arzneimittelkonsum.
Der 25. Februar 1968, an dem Robert Crumb auf einem Straßenfest im legendären „Summer Of Love“ in San Francisco sein selbst gedrucktes Magazin „Zap Comix“ verkaufte, gilt als Geburtsstunde der Underground-Comics.

Crumb erzählt, was dazwischen geschah: „Mit dem Comiczeichnen fing ich schon mit sechs Jahren an. Mein älterer Bruder Charles war von Comics besessen. Er zwang mich, ebenfalls Comics zu zeichnen. Er nötigte mich. Das übte einen starken Einfluss auf mich aus, weil ich ein eher passives Kind war. Er ließ nicht locker, bis auch ich Cartoons malte. Ich stellte hunderte kleiner Comichefte her. Wir dachten uns unsere eigenen Figuren aus: lustige Tiercharaktere, Imitationen von Disney-Figuren oder Bugs Bunny. Ich blieb dabei und hörte nicht mehr mit dem Comiczeichnen auf. Es war ein magischer Moment, die eigenen Cartoons zum ersten Mal gedruckt zu sehen. Ich war zwölf, und sie wurden in diesem kleinen Schul-Newsletter veröffentlicht, mit Blaumatrizen gefertigt. Mein Comic war lila. Trotzdem dachte ich: Wow!
Zwischen Comic und Druck besteht eine sehr enge Beziehung. Das Endprodukt ist das gedruckte Heft oder die gedruckte Seite, nicht das ursprüngliche Kunstwerk. Und wenn irgendetwas falsch ist, der Drucker einen Fehler gemacht hat – o nein, es war ein furchtbares Desaster! Wenn etwa die Farben nicht stimmen, ist das eine ungeheure Enttäuschung. Als die ersten Underground-Zeitschriften erschienen, waren die Drucker oft blutige Anfänger. Sie hatten nur kleine Druckerpressen, und manchmal war der Druck furchtbar schlecht. Man arbeitete so hart daran, dass alles stimmte, und sie verhunzten es.
Trotzdem ist es immer wieder erneut ein magischer Moment, den eigenen Cartoon gedruckt zu sehen.
Das erste Mal, dass ein Comic von mir in einem Underground-Magazin gedruckt wurde, war im Sommer oder Herbst 1967. Damals schossen in jeder großen Stadt diese Alternativ-Zeitschriften wie Pilze aus dem Boden, in New York, Chicago, San Francisco. Sie waren sehr zugänglich und druckten alles. Natürlich gab es kein Geld. In New York ging ich zum Büro des „East Village Other“ und gab ihnen meine Comics zum Veröffentlichen. Sie waren sehr angetan, weshalb ich ihnen noch mehr gab. Andere Magazine übernahmen die Comics, weshalb sie plötzlich überall auftauchten. Bezahlt wurde man nicht dafür. Bis Ende 1972 lebte ich mit meiner ersten Frau Dana von Sozialhilfe. Erst dann brachten die Comics so viel ein, dass wir von meiner Arbeit leben konnten.“

Dieser Beitrag wurde unter Comic, Gesellschaft, Medienkunde, Popkultur abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert