Überflieger von ganz unten – Was ist PULP?

betr.: Fachbegriffe / Synergien in der Popkultur: Vier kleine Worte (4)

Dieser vierteilige Artikel beruht auf meinem Unterricht Musicalgeschichte bzw. Mediengeschichte. Die Kapitel: 1. Kult – 2. Trash – 3. Camp – 4. Pulp

PULP

Dieser Begriff ist uns seit 20 Jahren zumindest vom Hörensagen bekannt, bildet er doch in seiner vollständigen Form den Titel eines modernen Filmklassikers: „Pulp Fiction“. Zu Beginn des Films wird der Ausdruck sogar erklärt, aber das vergißt man sofort wieder, angesichts der furiosen Ereignisse, die dann geschildert werden:

pulp/’pəlp/n 1. a soft, moist, shapeless mass of matter. – 2. A magazine or book containing lurid subject matter and being characteristicly printed on rough, unfinished paper.

American Heritage Dictionary, New College Edition

Pulp“ bedeutet also eigentlich „Pampe“ und bezeichnet den holzhaltigen Brei, aus dem jenes billige Papier hergestellt wird, aus dem später besonders billige Groschenheftchen gemacht werden.
Mit dem Siegeszug der Printmedien ab 1830 kam es zu einem stetigen Rückgang des Analphabetentums und damit zu einem steigenden Bedürfnis nach unterhaltsamem Lesestoff, dem ersten und lange einzigen Massenmedium. Die Comics, die sich ab der Jahrhundertwende entwickelten, boten zunächst tatsächlich nur „Komisches“, wie die Bezeichnung nahelegt. Für dramatische und abenteuerliche Stoffe sorgten zunächst nur die Pulps: Western, Krimis, Melodramen oder die Science-Fiction, aus der nun langsam die Fantasy hervorging. Für diese Entwicklung waren vor allem zwei Magazine von Bedeutung: „Weird Tales“ (1923-43) und „Unknown Worlds“ (1939-53). Hier kristallisierte sich aus dem Zukunftsroman jenes märchenhafte, technikferne Genre heraus, das man bald „Heroic Fantasy“ oder „Sword & Sorcery“ nannte. Die TV-Serie „Game Of Thrones“ ist das jüngste Erfolgsprodukt in dieser Tradition.

In der Regel gab es pro Heft eine längere Geschichte und einige Kurzgeschichten, das waren waren sogenannte „Oneshots“, also in sich abgeschlossene Abenteuer. Die Pulps erwiesen sich als Werkstatt – heute würde man sagen, das „Lab“ -, in der sich nicht nur die Genres sondern sogar die Helden jener Medien entwickeln konnten, die ihnen schließlich den Garaus machten: Radio und Film sowie der Comic.

Die beiden für lange Zeit wichtigsten (und bis heute langweiligsten) Superhelden haben konkrete Vorläufer im Pulp. Der schon 1933 aufgetretene „Doc Savage“° war ein unbesiegbarer, untadeliger Alleskönner, der in der Werbung als „Superman“ bezeichnet wurde. Und „The Shadow“ hatte keine Superkräfte (er war immerhin in Asien geschult), aber viel Idealismus und einen „fledermausartigen Umhang“ – und das bereits 1931.
Hin und wieder machte aber auch das Original selbst Karriere. Bis in die Gegenwart reicht das Wirken eines 1912 eingeführten Charakters von Edgar Rice Burroughs im „All Story Magazine“: Tarzan. Er erschien bald auch auf der Leinwand (ab 1918), auf der Bühne (1921), als Comic (1928), im Hörspiel (1932), als Held einer TV-Serie (1971), als Zeichentrick (1978) und schließlich als Musical – zunächst im Disney-Cartoon (1999), bald darauf als Bühnenspektakel mit eigenem Theater (2007). (Der legendäre Tarzan-Schrei lag und liegt aber urheberrechtlich bei MGM, die ihn für die Filmreihe mit Johnny Weissmueller hergestellt hatte.)
Zu zeitnahen Karrieren im sich gerade etablierenden Radio brachten es immerhin Serientitel wie der „Lone Ranger“, „The Green Hornet“, „Conan, der Barbar“ von Robert E. Howard und eben „The Shadow“ von Maxwell Grant (Walter Brown Gibson), die es später auch alle auf die Leinwand schafften.

Doch es half alles nichts! Die Comics sprachen wie gesagt das gleiche Publikum an und stiegen – allen Unkenrufen und Verfemungen zum Trotz – zum Massenmedium auf; längst gab es auch hier Abenteuergeschichten. Die Pulps verloren an Bdeutung und Leserschaft und gingen Anfang der 50er Jahre unter. Sie haben den Sprung ins Museum und ins Feuilleton nicht geschafft. Bis heute sind sie das Trash-Medium schlechthin, die archetypische Schundliteratur.


° Mit „Doc Savage“ setzen wir uns hier in Kürze genauer auseinander.

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