Eine kurze Sittengeschichte des Grinsens

betr.: Gesellschaft und Medien

1865 – Lewis Carroll veröffentlicht sein Kinderbuch „Alice im Wunderland“. Für nicht wenige Leser ist die einnehmendste Figur dieses an skurrilen Gestalten reichen Werkes die Grinsekatz, die eine besondere Gabe hat: sie kann verschwinden, während ihr Grinsen sichtbar bleibt. Eine Theorie besagt, dass eine Verwandtschaft zwischen ihrem Originalnamen „Cheshire cat“ (etwa „Chester-Katze“ oder auch „Chester-Käse-Katze“) und der unverwüstlichen Aufforderung besteht, „Cheese“ zu sagen, um ein Grinsen zu simulieren, wenn’s für ein fotogenes Lächeln nicht reicht.

1869 – Der Roman „L’homme qui rit“ von Victor Hugo erscheint. Darin wird von einer Bande Geächteter erzählt, die ein breites, häßliches, unauslöschliches Grinsen in die Gesichter von kleinen Kindern schneiden, um diese für den späteren Beruf der Jahrmarkts- oder Zirkusattraktion zu qualifizieren. Die Geschichte folgt einem der Gepeinigten: Gwynplaine, dessen Entstellung auch eine Rache für die regimekritische Haltung seines Vaters ist. Conrad Veidt spielte 1928 die Hauptrolle in einer sehenswerten Verfilmung dieses Stoffes.

1940 – Der Superschurke „Joker“ wird ins Ensemble der „Batman“-Comics eingeführt. Er geht auf Conrad Veidts Gwynplaine-Auftritt zurück. Heath Ledgers Darstellung des Jokers in „The Dark Knight“ (2008) wiederum gilt Filmkennern als eine moderne Interpretation des Victor-Hugo-Charakters.

1963 – Der amerikanische Werbegrafiker Harvey Ball schließt zwei Punkte und eine Art U in einen gelben Kreis ein und erfindet das Smiley. 1982 kippt Scott E. Fahlman dieses Logo nach links und setzt es in Satzzeichen um. Die „Jugend von heute“ macht daraus in den 90er Jahren eine ganze Reihe von Stimmungssymbolen, die mit Lächeln gar nichts mehr zu tun haben aber immer noch so heißen, wie Grummelsmiley, Staunsmiliey oder Muffelsmiley – offenbar ist ihr nicht immer nur nach Grinsen zumute.

1966 – Der deutsche Söldner Siegfried Müller wird vor eine Dokumentarfilmkamera gesetzt, um z.B. über seine Beteiligung an der Niederschlagung der Simba-Rebellion im Kongo zu berichten. Während der Aufnahmen läßt er sich mit Pernod vollaufen und bekommt immer bessere Laune angesichts der reinherzigen Motive seiner blutrünstigen Abenteuer. Durch den so entstehenden Film „Der lachende Mann“ gewinnt „Kongo-Müller“ viele Fans in der ganzen Welt.

2001 – Ingo Nommsen übernimmt die ZDF-Morgensendung „Volle Kanne – Service täglich“.

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