Angebote an den Volksmund (17)

betr.: Gesellschaft und Kommunikation

Ein großer Wortschatz ist in Zeiten der Smartphone-Pictogramme, Grummelsmileys und 160-Zeichen-Beschränkung nicht mehr ‚in‘ – aber für alle interessant, die gerne (im positiven Sinne) aus der Masse ausscheren wollen.

Kaderwelsch
= Gemisch aus Zitaten der Klassenkampfliteratur und Propaganda sowie aus seriösen Geschichtsbüchern, die unvermittelt auf aktuelle umgangssprachliche Auslegungen und Ergänzungen treffen. Beispiel: „Die Produktionskosten der Arbeit bestehen in gerade soviel Lebensmitteln, als nötig sind, um den Arbeiter in den Stand zu setzen, arbeitsfähig zu bleiben und die Arbeiterklasse nicht aussterben zu lassen. Scheiße, ihr Kapitalistenschweine – so läuft die Sache nicht! Nicht mit uns!“
Quelle: Die Korrespondenzen und Kampfschriften der RAF und anderer (Untergrund-)Bewegungen ab 1968.

Käsejogi
= ein sehr blasser Mensch
Quelle: immer gern wiederfinden läßt sich der Ausdruck in dem Bud-Spencer-Film „Banana Joe“. Für Nichtfans des Hauptdarstellers ist dieser wegen der herrlichen Nonsens-Dialoge von Rainer Brandt wenn schon nicht sehens- immerhin hörenswert. Wer die trotz der hübschen Besetzung der Sprechrollen lieber lesen möchte: die Fanpage spencerhill.de zitiert seitenweise daraus.

Kochleffl
= jiddisch für „Kochlöffel“, also auch als Bezeichnung für einen aktiven, rührigen Menschen, der die Dinge „umrührt“.

Koofmich
= berlinerisch für „Kauf mich!“, also für einen bestechlichen Zeitgenossen.
Quelle: Der Volksmund schob in alter Zeit gern Tätigkeitsumschreibungen zu knappen Hauptwörtern zusammen. So entstanden gut verständliche Begriffe wie Haudrauf, Saufaus (Sauf-aus) oder der einst sehr gebräuchliche Schlagetot (= grober Klotz / gewalttätiger Trunkenbold / Wegelagerer bzw. Strauchdieb / ungehobelter Bursche, von dem man gar nicht so genau wissen möchte, ob er vielleicht gar nicht so schlimm ist), eine kreative Tugend, die zur Fortführung einlädt. Nicht zu verwechseln mit der Verbindung zweier Hauptwörter zu eher herkömmlichen Bezeichnungen wie Krawallschachtel, Zotenlurch oder Barrikadenmausi.

Kulturphilister
= ein Mensch, der behauptet, Kunst dürfe nicht gefallen. Das stimmt so nicht: Kunst muß nicht gefallen wollen, aber unzweifelhaft darf sie es. (In der Tat ist sie vor Urzeiten zu diesem Zwecke begründet und geschaffen worden.) Für die Kunst, die nicht gefallen will, gibt es den Ausdruck „Agitprop“. Wer diese Sub-Variante als alleinigen Kunstbegriff ausruft, hat zumeist einen der folgenden Gründe:
a) Er ist zur Schaffung erbaulicher Dinge selbst nicht in der Lage und will diese deshalb schlechtreden – besonders wenn andere mit solchen Erfolg haben / gar Geld verdienen.
b) Er weiß es besser und will nur provozieren / verarschen.
c) Er ist tatsächlich so schlecht informiert wie er tut.
Quelle: Die Philister waren ein Volk, das im 12. Jahrhundert v. Chr. die Küste des historischen Palästina bewohnte und seinen Zeitgenossen durch militärisches Geschick und große Angriffslust das Leben schwermachte. Ihr berühmtester Sohn dürfte der Riese Goliath sein, dessen unzeitiges Ende die heutige schlechte Angewohnheit vieler Rockstars mitbegründet haben mag, früh sterben zu wollen. Der Begriff „Philister“ wurde früher auch allgemein auf Spießbürger und ältere Herren aus schlagenden Verbindungen angewandt.

Dieser Beitrag wurde unter Gesellschaft, Medienkunde, Philologie abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert