Wilders genialster Schauspieler

betr.: Charles Laughton zum 52. Todestag

Ein herzloses aber zutreffendes Sprichwort sagt: „Wir alle starten besser als wir landen!“ Da mag es uns trösten, dass es in der Geschichte der magnetischen Aufzeichnung eine kleine Gruppe von Ausnahmen gibt.
Der Schauspieler Cary Grant, der Mitte des 20. Jahrhunderts im Habitus eines George Clooney die Leinwand schmückte, galt mit leicht ergrauten Haaren als ganz besonders attraktiv – witzig war er ohnehin zu jeder Zeit. Dann gibt es die Sorte, die ein Leben lang vollkommen unverändert aussieht und ihr künstlerisches Niveau hält: Fred Astaire – jener Tänzer, dessen Leinwandkarriere gut 50 Jahre dauerte -, David Niven – ein charmanter Universalschauspieler mit kleinem Bärtchen – oder die unverwüstliche Angela Lansbury, die schon früh die Mütter gleichaltriger oder gar älterer Kollegen zu spielen hatte.
Schließlich haben wir da noch den Typus des vielversprechenden Jungmimen, der im Laufe der Zeit immer besser wird. Ein solcher ist z.B. Ray Milland, der in seiner Frühzeit ein wirklich hübscher Kerl war (also nichts Besonderes) und der mit jedem äußeren Zeichen des Älterwerdens faszinierender, abgründiger, sehenswerter wurde. Erst die hinzukommenden Tränensäcke und Hängebacken legten diesen wahrhaft sensationellen Charakterkopf frei, mit dem er außerdem gut umzugehen wußte.
Charles Laughton ist vielleicht das beste Beispiel für dieses Phänomen.

Laughton war ein Brite mit Hollywood-Karriere. Seine ansteigende Wirkung lag natürlich nicht nur an seiner äußeren Erscheinung – Zeit seines Lebens sah der bisexuelle Charakterschauspieler aus wie ein übernatürlich großes Baby – er wurde auch immer raffinierter in seiner Figurenzeichnung.
Die Wahl meines Laughton-Lieblingsfilms ist nicht besonders originell: „Zeugin der Anklage“, Billy Wilders Gerichtsfilm-Klassiker von 1957 nach einer Vorlage von Agatha Christie. (In Programmzeitschriften wird dieser Film mitunter Alfred Hitchcock untergejubelt. Das liegt daran, dass beide Hauptdarsteller auch unter dem Meister gedient haben: Laughton in “The Paradine Case“ als Richter und Marlene Dietrich als sie selbst in „Stage Fright“.)
Laughton spielt einen altersschwachen aber noch immer brillanten Strafverteidiger, dem der Arzt aufregende Fälle verboten hat. (Köstlich: Laughtons Frau Elsa Lanchester als gestrenge Krankenschwester!) Welches Duell sich zwischen ihm und Marlene Dietrich entwickelt, soll hier nicht nacherzählt werden – zumal es immer noch (immer wieder) Leute gibt, denen die Pointe des Films noch verdorben werden könnte.
Stattdessen will ich ein hübsches schauspielerisches Detail in Erinnerung rufen, wie Laughton sie immer wieder gern für seine Rollen entwickelte. In „Zeugin der Anklage“ klemmt er sich zuweilen ein Monokel ins Auge – sei es, um ein Schriftstück besser lesen zu können, sei es, um es als eine Art Lügendetektor zu benutzen, mit dem er seine Gesprächspartner blendet.
Sobald er es nicht mehr braucht, setzt er es nicht einfach ab oder läßt es fallen, er fegt es sich mit einer Art Ohrfeige selbst aus dem Gesicht – gerade so, als sei er seinem Gegenspieler mal wieder knapp zuvorgekommen. 

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