Rolf Kaukas Sündenfall

betr.: 2064. Jahrestag von Julius Caesars Überschreitung des Rubikon (“Alea iacta est“)

Die beispiellose Erfolgsgeschichte von “Asterix” begann hierzulande mit einem Skandal – wenn man es von innen her betrachtet. Rolf Kauka, dem Vater von “Fix und Foxi”, waren die deutschen Verwertungsrechte an “Asterix” zugefallen, doch er verärgerte den Originalverlag mit einer peinlichen Eindeutschung – das Wort Übersetzung wäre hier nicht angemessen. Aus den tapferen Galliern machte er Germanen und nannte sie “Siggi und Babarras”. Die Urheber klagten sich schnellstmöglich aus dem Deal heraus, und der Ehapa-Verlag, der sich z.B. auch um die deutsche “Mickymaus” kümmert, war und blieb der lachende Dritte.
Das war nicht nur für Rolf Kauka ein enormer Verlust; bis heute leiden auch die Comicleser unter diesem Vorfall – wenn diese es auch nicht immer mitbekommen. Kauka hat mit seinem Einmarsch ins Gallische Dorf seine gesamte Übersetzungsleistung diskreditiert – und das ist verheerend, denn das meiste davon war besser als alles, was danach kam.

Rolf Kauka war – drücken wir es vornehm aus – ein Patriarch. Inzwischen hat es in Fanzines und anderen Fachpublikationen zahlreiche hochspannende Artikel gegeben, die das Leben und Wirken in jener Villa in München Grünwald unter der Fuchtel von “Onkel Rolf” beschreiben, der sich seinen Aufkleber als “deutscher Disney” auch intern redlich verdient hat.
Für mich als Leser des so entstandenen Produktes (in den 70er Jahren) steht aber fest: es war die Mühe wert. Kauka eröffnete mir den frankobelgischen Comic. Erstmals begegneten mir “Boule et Bill” (als “Schnieff und Schnuff”), “Gaston” (“Jo-Jo”), “Spirou et Fantasio” (“
Pit und Pikkolo), Künstler wie Deliège, Azara und Marcel Remacle – einmal abgesehen von Kaukas “eigenen” Großmeistern (Riccardo Rinaldi, Branko Karabajić u.v.a.m.).SchlumpferenzColUnter dem Gesichtspunkt der Übersetzung verdienen die “Schlümpfe” nähere Betrachtung, die Kauka im selben Paket wie “Asterix” und “Lucky Luke” erworben hatte. Wer heute die aktuellen Ausgaben liest, findet die Übersetzung vermutlich ganz in Ordnung.* In Ordnung ist sie durchaus, das helle Entzücken der Kauka-Version verbreitet sie nicht.
Schon
Les Schtroumpfs “Die Schlümpfe” zu nennen, war eine Idee, auf die man erst einmal kommen mußte.
Kaukas Schlumpfdorf, in dem ich meine Kindheit verbringen durfte, wurde geleitet vom “Großen Schlumpf”, und es lebten dort z.B. der Gitarrenschlumpf, der
Muskelschlumpf und der Brillenschlumpf. Im Kielwasser der amerikanischen TV-Serie „The Smurfs“ bekommen wir es heutztage auch schon mal mit Fauli, Schlaubi, Torti oder Trotteli (!!!) zu tun – was mich eher an die Spitznamen erinnert, die man Außenseitern gibt, bevor man sie im Schulhof verprügelt. Das Bösewichterpaar hat es mit „Gargamel“ und „Azrael“ noch recht gut getroffen, aber “Gurgelhals“ und „Uriel” fand ich einfach anschaulicher. (In der Nr. 14 der ambitionierten F.A.Z.-Reihe „Klassiker der Comic-Literatur“ findet sich eine irrtierende Mischung aus beiden Varianten.)
Selbstverständlich hört das Qualitätsgefälle bei den Namen der Figuren längst nicht auf. Auch die neuen Dialoge lesen sich oftmals, als seien sie nicht erfunden, sondern von einer kreuzbraven Kommission ausdiskutiert worden.
Gewiß: Werktreue ist eine unendlich heikle (und unexakte) Wissenschaft, aber sobald man in jeder Sprechblase merkt, dass man eine Übersetzung in Händen hält, ist irgendetwas schiefgelaufen.

Meine Kritik bezieht sich allgemein auf die Alben, in denen man „große“ Comics heute üblicherweise vorfindet. So ein Album ist weniger unschuldig als ein Comic-Heftchen, und die Bearbeitung leider auch.
Als ich entdeckte, dass die “Gifticks” – auch sie kannte ich aus “Fix und Foxi” – in einer dreibändigen Gesamtausgabe** vorliegen, habe ich mir diese sofort zugelegt. Das war – Sie können es sich denken – ein zweischneidiges Vergnügen. Aus Herrn Wolf war Monsieur Flamberge geworden, aus Rolli (wieder?) Jonas.
Das hat ja alles seine Richtigkeit. – Da lacht der Bürokrat, und der junge Leser zieht das Köpfchen ein. (Hin und wieder tobten sich die Neutexter dann doch ein wenig aus. Die mittelalterliche „Burg Hochfinstermünz“ heißt nun „Schloß Gnadenlos“.)

Kürzlich erzählte mir ein mehrsprachig lesender Freund mit Nebenwohnsitz in Paris, “Tintin” sei wirklich komisch. Da war ich platt. Ich bin ein langjähriger Leser von “Tim und Struppi” und schätze deren weltbürgerliches Kolorit und das schillernde Ensemble, aber zu lachen hatte ich da eigentlich nie besonders viel. “Doch, doch”, beschwor er mich. “Zum Schieflachen! Ehrenwort!” Mein Französisch ist nicht gut genug, um diesem Fall persönlich nachzugehen, und das ist auch gut so.
Wenn ich ehrlich bin, will ich es gar nicht so genau wissen.

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* Nebenbei bemerkt, sind diese Geschichten, die der Zeichner Peyo (Pierre Culliford) geschaffen hat, großartige (Jugend-)Literatur. “Der Weltraumschlumpf” gehört zum Berührendsten, was ich je über Freundschaft gelesen habe, und “Der Oberschlumpf” / “Schlumpfissimus, König der Schlümpfe” erzählt von Korruption und der Schwierigkeit, eine Demokaratie zu betreiben. Was einer Gesellschaft bevorsteht, in der Religion wieder an die Stelle der Politik tritt, wird in “Korkenschlumpf oder Schlumpfzieher” skizziert – obwohl es hier natürlich nicht um Religion geht.
** erschienen im Piredda-Verlag, dem unser Dank gebührt.

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