„Und noch eine Frage bewegt unser Herz: Was wird aus Deutschland nach dem 6. März?“*

betr.: 32. Jahrestag der Neuwahlen, die Helmut Kohl nach dem Mißtrauensvotum als Kanzler bestätigten („Die Wende“ I)

16 Jahre lang agitierten Kabarettisten unterschiedlichster Begabung gegen Helmut Kohl, den sie als „Birne“ verspotteten und akustisch imitierten. Wer den Kanzler in seinem Programm auch nur erwähnte, geriet sofort in den Verdacht, ein aufgeweckter Versteher und Kommentator der Zeitläufe zu sein, wer dies vermied, weil er die Gesellschaftspolitik nicht auf die sog. „Tagesschau“-Themen beschränken wollte, geriet schnell in den Ruch der Klamotte und der fehlenden Relevanz. In diese Rezeption mischten sich mit der Zeit die Stimmen derer, die den Kabarettisten den Vorwurf machten, zur Verniedlichung Helmut Kohls und somit zu seinen anhaltenden Wahlerfolgen beizutragen. Der Kanzler selbst hat diese Anschauung übrigens hin und wieder öffentlich geteilt, sich aber angeblich darüber gefreut.
Was bleibt von dieser Auseinandersetzung, die uns heute doch ziemlich fern ist? z.B. dass Kohl kurz nach seiner Abwahl sein ominösen „Spendern“ gegebenes Ehrenwort über jenes stellte, das er im Rahmen seines mehrfach geleisteten Amtseides gegeben hatte, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Das tauchte das Bild vom tapsigen Provinzkanzler in ein neues Licht. Und natürlich, dass der Altkanzler offenbar geschwindelt hat, als er seine Verhöhnung und Unterschätzung guthieß. Das legt zumindest das Skandalbüchlein von Heribert Schwan nahe.°

Schiffbruch BRD

Abgelehnter Versuch einer politischen Karikatur für die „Saarbrücker Stadtzeitung“ (1985)

Ich gehörte zu denen, die Politikerparodien aus ihren Kabarettprogrammen gern heraushalten, aber zur Kohl-Ära dennoch etwas sagen wollten. Es folgt ein Text, der im Oktober 1986 erstmals von mir vorgetragen wurde.

Der Obsthändler

Eine Selbstdarstellung

Auf ein Wort in eigener Sache, liebe Bürgerinnen und Bürger! Ist der Kohl denn wirklich so schlimm?
Ich frage ja nur. Ich mache mir so meine Gedanken, auch als kleiner Kabarettist … Klein heißt nicht, dass ich nicht gut wäre, aber ich bin nun mal ein bescheidener Mensch.
Jedenfalls hat Helmut Kohl sein Aufschwungsversprechen unbedingt gehalten, soweit es mich und meine Kollegen betrifft.
Ist die Wende schon Legende?
Ich bin natürlich noch keine, aber ich kann schon jetzt gut von meiner Arbeit leben. Birnenkompott verkauft sich wie geschnitten Brot. Und es haftet wunderbar in diesen Lücken, die sich zwischen zwei guten Gags schonmal in einem Text auftun … oh, diese Lücken sind höllisch, das kann ich euch sagen!
Kennt ihr schon die Maßeinheit zwischen zwei Fettnäpfchen? – Ein Kohl!
Hehehehe. – Macht nichts, ist nicht von mir.

Und wenn alle Stricke reißen: die Saarländer fressen sowieso alles, was man in ihren albernen Dialekt übersetzt.
Um zwölf werd geß, und wenn sisch der Kohl net schickt, kummter in die Supp!“
Hehehehe!**
Dann noch Scherz über den Kanzler, ein Grünkohlwitz, ein Witz über Kernkraft, ein Blumenkohlwitz, ein Witz über Atomkraft, ein Witz über den Bundeskanzler, und die Heiterkeit nimmt kein Ende mehr!
Kernkraft ist übrigens echt Scheiße! Ich finde, wir sollten wieder Haare spalten!
Hehehehe!

Dabei habe ich noch kleiner angefangen, in der Satirevereinigung „Die Stinktiere“, die mehr oder weniger erfolglos im Norden durch die Bäder tingelte. Irgendwann haben diese onanierenden Hofnarren dann geglaubt, sie müßten mich ausbooten! Bittesehr, hab ich gesagt, dann macht doch, was ihr wollt – und sie gehorchten mir auf’s Wort!
Der Starke ist ja bekanntlich am mächtigsten allein, und nun konnte mich nichts mehr aufhalten! Mit jedem Publikum bin ich fertiggeworden, ob CDUler oder Intelligenzler!
Und warum auch nicht? Der Kunde ist zwar nicht demokratisch gewählt, aber immerhin König!
Der Zweitausendeins-Verlag hat dem Kanzler übrigens angeboten, ihm Tantiemen für die viele Realsatire zu zahlen – um einer Urheberrechtsklage zuvorzukommen.
Hehehehe!

Aber ich hatte es nicht immer so leicht, wie es heute aussieht! In den finsteren Zeit den der sozialliberalen Koalition mußte unsereiner ganz schön rackern. Mit am Fernseher Mitschreiben war da nix. – Naja, das ist auch heute nicht so, aber es gehört zu unserem Kabarettistischen Schweigegelöbnis so zu tun, als bräuchten wir nur alles aus den Nachrichten abzukrickeln.
Ich kenne sie jedenfalls gut, die Mühen der Ebene, der Kleinkunstmulden, -löcher und -scheunen, die sich als Bühne ausgeben.
Und habe was auf’m Kasten!
Wenn ich singe, kann ich sogar englisch! – (singt) „Everybody’s taaalkin‘, I don’t hear what they’re sayin‘ – only the echoes of my mind!“
Und dann habe ich mir die Klassiker raufgeschafft?
Geothe? Schiller? Shakespeare? Ach wo! Von denen reicht eine Inhaltsangabe und ein paar Zitate.
Nein, ich meine dieses ganze Chanson- und Brett’lzeug. Ich weiß, wo der Haifisch seine Zähne trägt und erzähl’s Ihnen immer wieder gern! Ich weiß, wie man sich betten muß, damit man richtig liegt, und wenn Sie Fragen zu Kleptomanen, Nachtgespenstern und Neandertalern haben– fragen Sie mich jederzeit!
Helmut Kohl löst ein Kreuzworträtsel. „Hannelore? Hier steht: ‚Kanzler der Einheit‘ mit vier Buchstaben. Das bin doch ich. Aber ‚ich‘ hat nur drei Buchstaben!“ – „Aber Helmut. Du musst dich einsetzen!“ – „Stimmt, so geht’s. D-I-C-H!“
Hehehehe!

Und politisch gebildet, bin ich außerdem. Ich kenne über 500 Bühnentexte, viele davon gereimt, denen zu entnehmen ist, dass Adolf Hitler ein beschissener Reichskanzler war, aber diejenigen, die sich das freiwillig von mir anhören, sind immer die, die’s auch so schon wissen. Irgendwie ist das alles Murks!
Was soll’s? Ich wein‘ den ganzen Weg zur Bank!

Und ich weiß, wie man sich zu benehmen hat! Man muß dem Publikum Abend für Abend beteuern, dass es ein viel besseres ist als die Stiesel von gestern abend. Und was soll ich Ihnen sagen: es stimmt. Sie sind wirklich ein viel besseres Publikum als die Stiesel von gestern abend. Ich hab’s genau gesehen: Sie haben gerade eben gelacht, bei diesem Witz mit den „Supp“ …
Aber gestern? – Eine Hadesfahrt! Ein Alptraum! Die Nacht des Lebens, sage ich euch!
Kein einziger Lacher! Ich glaube, die mochten den Kohl alle gar nicht!
Was soll man da machen?
Was nützt die edelste Gesinnung, wenn die blöde Masse es nicht frisst?
Wußtet ihr übrigens, dass man uns Gaukler früher nicht mal begraben hat?
Dafür tut man’s heute.
Warum wohl?

Arbeitsplätzchen

Weiterer abgelehnter Versuch einer politischen Karikatur für die „Saarbrücker Stadtzeitung“ (1985)

 

° siehe Blog vom 20.10.2014
* Rudi Carrell in seiner von Thomas Woitkewitsch getexten Jahreswechsel-Liedeinlage „Was wird aus dieser Welt im nächsten Jahr?“
** „Um zwölf wird gegessen, und wenn der Kohl sich nicht benimmt, kommt er in die Suppe!“ – passende Textpassage für die Uraufführungsregion.

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