Keen Getue nich‘!

betr.: 102. Geburtstag von Günter Neumann

Der Kabarettist Günter Neumann ist mir aus verschiedenen Gründen ans Herz gewachsen.
Zunächst einmal schaffte er es, in mir – als völligem Nicht-Berliner – geradezu heimatliche Gefühle für die ehemals geteilte Stadt zu wecken. Sein West-Berliner Nachkriegs-Kabarett-Ensemble „Die Insulaner“ kam in der Fachliteratur nie so gut weg wie die benachbarten „Stachelschweine“, hatte aber so köstliche Mitspieler wie Walter Gross und Agnes Windeck (die mir auch als Synchronsprecher unvergesslich sind) und natürlich das um immer neue Strophen erweiterte „Insulanerlied“. Auch der Film „Berliner Ballade“ machte mich zum Neumann-Fan. Dieses kabarettistische Trümmerfilmmusical bot Gert Fröbe 1948 seine erste Filmrolle. Er war noch spindeldürr und mußte während der Dreharbeiten auf Diät gesetzt werden, um nicht aus seiner Rolle herauszuquellen und Anschlußfehler zu verursachen. Der Film basiert auf Neumanns Kabarett-Programm „Schwarzer Jahrmarkt“ und beinhaltet einige seiner Chansons: so das berühmt gewordene „Also, wissense nee“ und den „großen Wartesaal des Lebens“, eine sinfonische Jazz-Nummer.

Als in der Bundesrepublik das Musical-Zeitalter begann, übersetzte Neumann z.B. „Kiss Me Kate“ (mnittlerweile das meistübersetzte Musical überhaupt) und „My Fair Lady“. Robert Gilbert – ein verdienter Songtexter aus der frühen Tonfilmzeit, der sich um „Annie Get Your Gun“ gekümmert hatte – überarbeitete diese Songtexte zwei Jahre später für die Synchronfassung der „My Fair Lady“-Filmversion. Seither gilt Gilbert als Schöpfer der Zeile „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blüh’n“ – in der Tat stammt sie von Neumann. (Im Original ist der Satz ohnehin viel dämlicher, sinngemäß: „Der Regen in Spanien fällt vorwiegend im Freien“.)

Der RIAS-Aufnahmeleiter und spätere TV-Moderator Hans Rosenthal holte seinen alten Freund und Förderer Günter Neumann auch ins Team seiner ab 1970 laufenden Spielshow „Dalli Dalli“. In den ersten Ausgaben der Sendung wurden jeweils zwei alte oder neue seiner Chansons von Stargästen vorgetragen. 1972 starb Neumann kurz vor der Ausstrahlung einer Show. Von nun an kamen die Kabarett-Chanson-Einlagen von den Größen der zwischenzeitlich erwachten Liedermacher-Szene – immerhin einige Jahre lang, bis sie den Schlagersängern Platz machen mussten.

In der Welt der Musical-Schulen traf ich Günter Neumann wieder. Zwei Chansons werden eisern von Studentin zu Studentin weitergereicht und immer wieder gesungen (alle anderen sehr ungern): Hollaenders „Kleptomanin“ und eben Hanne Wieders „Ein Neandertaler“ – Text und Musik: Günter Neumann.
(Ihr Lieben: Davon gibt’s noch mehr!)

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