„Nehmen Sie doch noch Kartoffeln!“

betr. 86. Geburtstag von William K. Everson

Zwei der ersten Filmbücher, die ich im Leben las, hat William K. Everson geschrieben: „Laurel & Hardy und ihre Filme“ und „Klassiker des Horrorfilms“, beides Bücher aus der großformatigen, reich bebilderten „Citadel“-Reihe, die der Goldmann-Verlag Anfang der 80er Jahre in famoser Übersetzung herausbrachte. Das war einerseits ein großes Glück für mich, denn Everson zu lesen, ist per se ein großes Glück. Es war auch mein Pech, denn es hat mich rettungslos verwöhnt und in mir eine unheilbare Pingeligkeit verursacht, was die Qualität von Sekundärliteratur betrifft.
So kommt es, dass ich diese beiden Bücher immer wieder zur Hand nehme – eines, um darin zu schmökern, das andere, um es alle zwei, drei Jahre nochmals vollständig zu lesen. – Und selbstverständlich geht es mir dabei nicht nur um Horrorfilme, Mr. Laurel oder Mr. Hardy.

Dass Mr. Everson angeblich „mehr über Film weiß als jeder andere“, ist hier gar nicht das Entscheidende: er spricht informativ, treffend und pointiert über die „kollektive Zuschauererwartung“, über die Wichtigkeit des Humors bei der Vermittlung tragischer Inhalte, über die Rückschlüsse, die sich aus dem Erfolg eines Werkes auf seine Zeit ziehen lassen, über den Dialog zwischen Künstler (Autor, Regisseur, Schauspieler …) und Publikum, über den kurvenreichen Verlauf der Grenze zwischen Handwerk und Naturgesetzen auf der einen Seite und Kreativität / Wagemut / künstlerischer Freiheit auf der anderen. Nebenbei hat er über das Zusammenleben von Mann und Frau weitaus Intelligenteres zu sagen, als die vielen hauptberuflichen Kommentatoren dieses Themas.
Ohne die gebotene Zärtlichkeit je vermissen zu lassen, legt Mr. Everson die dramaturgischen Mängel von Genrekonstruktionen offen – etwa von Spukhausfilmen, Ehekomödien oder britischen Poe-Verfimungen – und wundert sich zum Beispiel darüber, dass es in jedem Grusel-Labor diesen tödlichen Schalter gibt, „den man auf keinen Fall berühren darf“ oder dass stets eine bereits in passender Höhe angebrachte Nackenzwinge im Gemeindeverlies existiert – für den Fall, dass ein etwa zwei Meter großes Monster auftauchen könnte.
Er schafft es, Filmszenen so nachzuerzählen, dass man sie zu sehen glaubt, dass man Ernest Thesigers Verachtung spürt, wenn er einem seimer Gäste einen Nachschlag anbietet.
Eversons Bildunterschriften verraten die Liebe zum Detail, z.B. wenn er bemerkt, „dass Charles Halton (2. v. l.) bereits vor dieser Sequenz getötet worden ist und somit auf diesem Standfoto eigentlich gar nichts zu suchen hat!“ – und beklagt, dass die betreffende Szene im Film sehr viel dröger war als auf dieser „Fotomontage für Werbezwecke“.

Zuerst habe ich an der einen oder anderen Stelle des Textes gedacht: ist die Sache wirklich so einfach? Immer wieder hat sich seither bestätigt: sie ist es! Und es ist verdammt schwer, sie so leicht aussehen zu lassen.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Hommage, Medienkunde, Medienphilosophie abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu „Nehmen Sie doch noch Kartoffeln!“

  1. Pingback: Humor Omnia Vincit - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert