Beatles oder Stones? Endlich die Antwort!

betr.: 38. Jahrestag der ersten Tantiemenzahlungen der UdSSR an eine westliche Rockband: „The Rolling Tones“

Beatles oder Stones?
Die Antwort steht bei Marcel Proust. Dieser Autor hat Geschichte gemacht, indem er aufzeigte, wie sehr Dinge auf uns wirken, weil sie mit Erinnerungen verknüpft sind, die sie – bewusst oder unbewusst – in uns wachrufen.
Heute, hundert Jahre später, treffen seine Beobachtungen in besonderer Weise auch auf die Art zu, in der wir Musik wahrnehmen und konsumieren.

Formatradio

Seit dem Beginn der 80er Jahre – dem Siegeszug von Musikvideo und Formatradio, gefolgt von Datenzerkleinerung und praktisch unbegrenzter Verfügbarkeit der Ware Musik – spielt es eine gewaltige Rolle, was der Konsument mit der Tonaufnahme verbindet. Und inzwischen sind es nicht einmal mehr so sehr persönliche Hintergründe („Meine Lieblingsplatte ist die, die ich gehört habe, als ich mein erstes Rendez-vous hatte …“), es sind zunehmend kollektive Assoziationen, die einen Hit befördern.
Besondere Beliebtheit erreichen die Auftrittsmusik eines beliebten Boxers, ein Song, der beim Deutschen Sommermärchen gespielt wurde, oder der Soundtrack zu einem Videoclip, bei dem auch die Bildebene irgendwie Spaß macht.
Ein richtiger Schlager*, der nur durch die Ohren zum dazu gehörigen Herzen findet? Heute undenkbar!

Insofern waren die „Rolling Stones“ ihrer Zeit weit voraus!
Schon hier interessierte kein Schwein, was die Burschen eigentlich sangen und was auf ihren Schallpatten drauf war – viel wichtiger war, welchen Sex sie verströmten, welchen wüsten Lebensstil sie repräsentierten und in welche Exzesse man sich beim Wiederhören ihrer Musik hineinträumen konnte.
Eine feine Sache – aber eher ein gesellschaftlich-atmosphärisches als ein musikalisches Kriterium.
Das ist der wesentliche Unterschied zu den Beatles. Auch hier lag das Aroma von Drogen, kaputten Hotelzimmern und Groupies in der Luft, aber es war stets Entscheidend, was künstlerisch geboten wurde. Die Songs funktionierten auch als reines, unschuldiges Hörerlebnis.
„Du spinnst!“ rief mir mancher Musikfreund zu, dem ich diese These verbal präsentierte.  Glaub’ich nicht. Wer einen Beatlesfan nach seiner Lieblingsnummer fragt, löst größte Verlegenheit aus – da sind so viele. Meistens werden drei oder vier genannt und sogar angesungen. Und jedesmal ist auch ein sogenannter Albumtitel dazwischen – „Dr. Robert“ oder „I’m The Walrus“ …
Auf die Frage, welche Stones-Titel – „Satisfaction“ mal beiseite – denn besonders hervorzuheben sind, wird meist wie auf eine fiese Quizfrage reagiert. Zum Glück hat sich unter der Merkel-Kanzlerschaft inzwischen auch „Angie“ herumgesprochen, aber nicht jeder kommt darauf.
Hin und wieder folgt nach einer Pause noch: „Smoke On The Water“ (sic!).

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* Das Wort „Schlager“ meint einen Musiktitel, der die Mitbewerber aus dem Feld schlägt, wie es auch der Ausdruck „Hit“ andeutet.

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