Der Song des Tages: „Die Wanne ist voll“

betr.: 69. Geburtstag von Randal Kleiser / Lied- und Musicalübersetzung

Wenn es um das delikate Thema „deutsche Übersetzungen“ geht, spiele ich meinen Musicalstudenten gern den Song „You’re The One That I Want“ aus dem Musical „Grease“ vor – die Filmszene mit John Travolta und Olivia Newton-John – und zeige ihnen anschließend die deutsche Version: „Du, die Wanne ist voll“*, in der sich die Hamburger Autorin und Volksschauspielerin Helga Feddersen und der damals für seine TV-Serie „Nonstop Nonsens“ gefeierte Dieter Hallervorden grölend im Schaum wälzen.
Dann bitte ich das Publikum, die Nummer in ihrer Eigenschaft als deutsche Version des Originals zu beurteilen. Die erste Reaktion ist immer dieselbe: zuallererst wird sich vom gebotenen Klamauk distanciert. Das sei „natürlich“ schon arg doof, „natürlich“ keine richtige Kunst undsoweiter. Das macht mich jedesmal traurig, gibt mir aber das Stichwort, die Begriffe „E“ und „U“ zu erklären und dass wir uns in Deutschland angewöhnt haben, das „Ernste“ vom „Unterhaltsamen“ zu trennen. (Diesen Nonsens muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: das bedeutet ja, dass Ernstes nicht unterhalten könne und das Unterhaltsames in der Herstellung keine Ernste Sache sei.)
Diese Verdammung der Albernheit sei also eine ziemlich deutsche Sache, füge ich hinzu, und sie werde gern beklagt und kritisiert (wiewohl sie den amerikanischen Kollegen sie nicht einleuchtet). Aber es muß ja etwas dran sein, denn wie man sieht, beeilen sich sogar junge Kollegen, denen diese Trennung noch gar nicht eingetrichtert wurde, sie vorzunehmen – übrigens nicht nur deutsche.
Ich verteidige die Kunst der Klamotte dann als hohes Gut. Wenn sie funktioniere, sei sie das größte Glück für ein zahlendes Publikum, das den Wunsch habe, seinen Alltag hinter sich zu lassen.
Mißtrauische Blicke treffen mich.
Aber zurück zu „Grease“.

Ich ermuntere die Klasse nun dazu, die reine Übersetzung zu beurteilen. Wie anständig überträgt die „Wanne“ die Intention des Originals ins Deutsche?
Auch hier wird zumeist streng gerichtet. Nun mal im Ernst, das Ganze sei doch nur ein Jux, und in einer Inszenierung des Musicals könnte man sowas „natürlich“ nicht anbieten.
Warum nicht?
„Grease“ ist schließlich als Jux angelegt. Das Musical macht sich über die Pubertät lustig, über den im Rückblick unsagbar trutschigen Rebellionsbegriff der Nachkriegszeit, über das Cool-sein-wollen um jeden Preis.
Nach meiner Einschätzung handelt „Grease“ hauptsächlich von der Erkenntnis, dass wir mit den Jahren alle ruhiger werden. Als die Show herauskam, waren die rockenden und rollenden Kids der 50er Jahre selbst zu besorgten Spießer-Eltern geworden.
Insofern ist die „Wannen“-Version sehr akkurat. John Travolta und Olivia Newton-John ringen in ihrer Rummelplatz-Szene redlich um etwas Albernheit, aber es bleibt bei ein paar vorsichtigen Grimassen und ein wenig Rumgehopse. Nach einer Minute weiß man, dass der Song keine Überraschungen mehr zu bieten hat, und wartet brav auf die Abblende (eine Unsitte der Schlagerindustrie, die nun ihren Weg ins Musical gefunden hat). Ich behaupte, die beiden Originalinterpreten hätten ihr letztes Hemd dafür hergegeben, so einen Fun zu verursachen, wie die deutsche Cover-Version – zugegeben: das kann ich nicht beweisen.
Aber eines weiß ich: wenn irgendein „Grease“-Regisseur es wagen würde, seine Stars zu diesem Text so herumblödeln und sich einsauen zu lassen (und wenn das handwerklich gut gemacht wäre), würde das Publikum sich buchstäblich kranklachen. Besonders heute, da es diese Art von Slapstick überhaupt nicht mehr gewohnt ist.
Was das ausgestellt schlechte Englisch des Textes betrifft – „I speak englisch, I can tanzen, and I look unheimlich gut! I have always gute Chancen!“ – sogar das würde sich in der deutschen Bühnenfassung gut ausnehmen, denn schließlich ist das wackelige Imitieren des angesagten Amitums allgegenwärtig in unserer Jugendkultur – und ganz besonders in einer Musicalaufführung.
Und zu guter Letzt: Sogar auf die Phonetik wurde in der Übersetzung Wert gelegt: die tragenden Vokale stimmen überein.
Damit kann ich immerhin ein paar meiner Studenten überzeugen.

Doch noch eine Übereinstimmung macht die „Wanne“ zu einer definitiven Übertragung: wie schon „You’re The One That I Want“ – der Song kommt in der Bühnenshow von 1972 noch nicht vor und wurde erst für die Filmfassung geschrieben – war auch „Die Wanne ist voll“ ein nachträglicher Überraschungserfolg. Die Nummer war zunächst als einmaliger Schabernack gedacht. In Rudi Carrells „Am laufenden Band“, das praktisch von jedem fernsehenden Haushalt gesehen wurde, sollte der „Grease“-Hit einmalig auf die Schippe genommen werden.* Die Familie saß also eines Samstags frisch gebadet vor dem Fernseher, und irgendwann traten Didi und Helga auf, die von meiner staunenden Mutter voller Hochachtung als „häßliche Vögel“ begrüßt wurden. Wir wälzten uns vor Lachen auf dem Fußboden. („O Gott! Ein Schaumbad! Da werden die doch wohl nicht reinsteigen??? Doch!“) Als die Show danach friedlich weiterging, wollten wir Kinder Didi und Helga am liebsten gleich nochmal sehen, aber leider gab es (zumindest bei uns) noch keinen Videorecorder.
Mit diesem Gefühl waren wir aber nicht allein, denn die Single, auf die der Song nun gepresst wurde, verkaufte sich wie geschnitten Brot und trat ihren Siegeszug durch das noch recht überschaubare Unterhaltungsfernsehen an.

Die eingangs beschriebenen Vorbehalte gegen die leichte Muse wurden aber auch von Dieter Hallervorden geteilt. Er verbrachte die nächsten 15 Jahre damit, Interviews zu geben, in denen er sich darüber beklagte, auf den „Klamotten-Didi“ aus „Nonstop Nonsens“ reduziert zu werden. Er schimpfte auf dieses Volk, „das den Gartenzwerg erfunden hat und seine Wochenenden in der ‚Schwarzwaldklinik‘ verbringt“. (Er meinte diese Leute, die ihn stinkreich gemacht haben.)
Dass Hallervorden immerhin über „Die Wanne ist voll“ später sehr nett gesprochen hat, obwohl er sich darin von seiner Partnerin sogar mit „Didi“ anreden läßt, mag an Dieter Thomas Heck gelegen haben, den er nicht mochte und der wiederum diese Nummer nicht mochte. Als sie die Hitparaden stürmte und somit zwangsläufig auch die von Herrn Heck, soll der sie als unter der Würde seiner Sendung erachtet haben.
Unter der Würde der „ZDF-Hitparade“?
Schon wieder dieser Dünkel – und schon wieder ein verdammt guter Witz!

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* Der Film „Grease“ war genau einen Monat zuvor in Deutschland angelaufen.

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2 Antworten zu Der Song des Tages: „Die Wanne ist voll“

  1. Dieter sagt:

    Allerhöchst amüsant beschrieben, wie es mit der deutschen „Entertainment“ Landschaft bestellt war, ist und sein wird….Bravo Monty

  2. Pingback: Broadway's Like That (51): "Grease" - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

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