Wie man ein Trickfilmdrehbuch schreibt

betr.: 16. Todestag von Manfred Schmidt

Vor einigen Jahren war ich an der Entwicklung eines Trickfilms beteiligt, der letztlich nicht zustandekam, ein abendfüllendes Abenteuer von Nick Knatterton. Wie man sich erinnert, hatte der Pressezeichner und Karikaturist Manfred Schmidt diese Comicfigur eigentlich geschaffen, um seine Abscheu vor der allgegenwärtigen Krimiware auszudrücken. Die Illustriertenleser der Nachkriegszeit scherten sich nicht darum und machten daraus den größten deutschen Comic-Klassiker nach Fix und Foxi. Auch nach erlangtem Reichtum hat Herr Schmidt seinen Helden nie gemocht. Unvergessen seine etwas theatralische Schilderung von der eigenhändigen Zerstörung der Originalzeichnungen, nach der er sich befreit gefühlt haben wollte wie nach einem geglückten Exorzismus.
Ungeachtet dessen wäre die Idee eines neuen Knatterton-Filmes reizvoll gewesen – die Realversion aus den späten 50er Jahren war etwas danebengegangen und hatte die darin angedeuteten Fortsetzungen nicht nach sich gezogen.

In Hamburg wurde nun ein stimmungsvoller Kreativraum eingerichtet, das Werk in Angriff zu nehmen. Der gebuchte Regisseur war ein deutscher Trickfilmkünstler, der soeben aus den USA von den Disneys zurückgekehrt war. Seine Arbeitsgruppe bestand u.a. aus zwei südamerikanischen Animatoren, weshalb die Sitzungen auf englisch abgehalten wurde.
Ich war dazugebeten worden, um auf das Lokal- und Zeitkolorit zu achten: der Film sollte wie die Vorlage in der Wirtschaftswunderzeit spielen. Ein solcher Kontrollblick war unbedingt sinnvoll angesichts eines so internationalen Teams.

Es sollte um einen geheimnisvollen Museumsdirektor gehen, der sich letztlich als echte Mumie eines ägyptischen Priesters herausstellt, die – hochbetagt und unerkannt – mit der Unterwelt zusammenarbeitet.
Alle Bestrebungen, einen ersten Drehbuchentwurf zu entwickeln, waren darauf ausgerichtet, den Zeichnern Anlaß zu furiosen Effekten zu geben. Einer der beiden Animatoren erhob sich alle fünf bis zehn Minuten und rief hochbeglückt in die entstehende Szene hinein: „Yeah! And then the bottom opens up, and out comes a big, biiig dragon!“
Auch eine Strahlenpistole wurde ins Gespräch gebracht.
Knatterton als Held der Sword And Sorcery? Ich wies darauf hin, wir dürften mit solch exotischen Enqueten nicht zu freigiebig sein, um die angestrebte Atmosphäre der Adenauerzeit nicht zu gefährden, kam mir dabei aber wie ein Spielverderber vor.

Was ich aus dieser Drehbucharbeit mitgenommen habe, ist ein handwerklicher Aspekt, der unzweifelhaft auch bei den Großen in Hollywood gepflegt wird; das legt nicht nur die Anwesenheit des Insiders in unserer Mitte nahe, es schien mir auch stimmig angesichts der Hollywoodfilme, die ich in den letzten Jahren gesehen hatte (- nicht nur die animierten, die aber besonders).
Jeder, der einen Vorschlag zur Handlung machte, fügte sogleich hinzu, wo er das schon einmal gesehen hatte. Mitunter wurden sogar mitgebrachte Videos eingelegt, und alle riefen: „Looks great! That’s the way to do it!“
Jedes Detail des Brainstormings wurde wasserdicht belegt.
Irgendwann meldete ich mich mit einer Idee zu Wort, die mir spontan eingefallen war. Ich will nicht behaupten, das hätte es noch nie gegeben, jedenfalls hatte ich keinen Quellenhinweis dazu.
Als ich mit meiner Schilderung geendet hatte, blickte ich erwartungsvoll in die Runde. Die Kollegen blickten ebenso erwartungsvoll zurück, gerade so, als sei ich noch nicht fertig. Ich hatte gerade begriffen, worauf sie warteten, da lösten sie ihren Blick von mir und setzten die Sitzung fort, ohne auf meinen Vorschlag mit einer Silbe einzugehen.
Es war, als hätte ich zwischendurch den Faden verloren, und man wäre darüber hinweggegangen, um mir eine Verlegenheit zu ersparen.

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