Mutter Courage und ihre Buben

betr.: 17 Jahre Saarländischer Verdienstorden für Margarete Bardo

Das Saarbrücker Schwulenlokal “Madame” stammt aus einer Zeit, da man solche Örtlichkeiten nur nach Gesichtskontrolle betreten durfte. (Als braver Bürger durfte man es ja nicht einmal dann!)
Seine titelgebende Wirtin, Margarete Bardo (eigentlich Margerite), hielt diesen Job so lange durch, dass sie den Aufbruch ihres Stammpublikums in die Mitte der Gesellschaft noch miterlebte. Bis es soweit war hatte sie gut zwanzig Jahre lang all dem zu trotzen, was wir uns heute gar nicht mehr vorstellen möchten: Schmähungen, Polizeiwillkür, unbestrafte Randale und Zechprellerei. Eine persönliche Verbitterung war ihr nicht anzumerken. Damit wurde das Publikum von ihrem weltmüden Barmann Jürgen (“Tante Jutta”) reichlich versorgt.

Madame und JürgenMargaret Bardo und ihre Haus-Nemesis Jürgen Knitt.

Wenn der Abend weit genug fortgeschritten war, griff Madame gern zu einer leeren Bierflasche und simulierte einen Mikrofonvortrag ihres Lieblingsliedes “Je ne regrette rien”. Noch legendärer waren jedoch die Wortgefechte zwischen ihr und Jürgen: seine Bosheiten erklangen mit lauter und vernehmlicher Baßstimme, ihre immer gleiche Antwort wurde jeweils nur mit dem geteilt, der ihr gerade am nächsten saß: “Ach, ist der Jürgen heute wieder so frech!”
Auch feiertags wurde keine Ausnahme gemacht.

Zu ihrem 70. versammelte sich die beträchtliche Schnittmenge aus der Saarbrücker Kultur- und Schwulenszene um ihren Tresen, um sie mit glitzernden Gruselgeschichten, Reden, Liedern und Gedichtvorträgen hochleben zu lassen. Naturgemäß zog sich das Programm ein wenig, und Jürgen wurde unwillig.
Ewald Blum – damals rechte Hand des Filmbüros und der “Max Ophüls”-Festivalleitung, heute als Elfriede Grimmelwiedisch ein Comedy-Star im Südwesten – begann mit seiner fünften Anekdote: “Einmal haben wir ‘s Margret auf den Flohmarkt mitgenommen …”
Jürgen beendete die Story mit dem herzlosen Zwischenruf: “Ihr seid sie aber nicht losgeworden!”

Madame im ComicSo ist es also gewesen! – Ausschnitt aus einem zeitgenössischen Comic mit Madame-Gastauftritt für die Szene- Monatsschrift “nummer”

1991 gab Madame ihr Lokal in die Hände jüngerer Kollegen, die eine ganze Weile brauchten, bis sie zu einem eigenen Stil gefunden hatten. Auch die nebenan eröffnete “Mademoiselle” funktionierte nur mühselig.
In den knapp zehn Jahren, die ihr noch blieben, wurde Margarete Bardo der Saarländische Verdienstorden verliehen, posthum folgte eine Gedenktafel an historischer Stätte in der Mainzer Straße 4.

Siehe dazu auch https://www.youtube.com/watch?v=Pe0TpkADtX0&feature=share.

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