Die Petitessen des Monsieur Yared

betr.: 66. Geburtstag von Gabriel Yared

Die Zeiten, in denen Filmmusiker Themen schrieben (da sie im Sinne des Wortes komponiert haben), sind lange vorbei. In ihnen entstanden Filme aller Genres, aus denen man nicht selten einen Ohrwurm mitnahm. Auch nach ganz und gar dramatischen, nicht-musikalischen Sujets erinnerte man sich beim Verlassen des Kinos an das Thema des Schurken, das Nachtclub-Motiv oder zumeist natürlich an das Liebesthema.
Das Schreiben solcher Soundtracks beherrscht heute niemand mehr. Vielleicht würden die Ergebnisse zu den heutigen Filmen ja auch gar nicht mehr passen …

Gabriel Yared, ein aus Beirut stammender Musiker, der 1997 für „Der englische Patient“ den Musik-Oscar erhielt, ist insofern ein Mittler zwischen gestern und heute.
Seine eingängigsten und wirkungsvollsten Themen sind so kurz, dass sie mit den heutigen Hörgewohnheiten nicht kollidieren.
Zum ersten Mal fiel mir dieser Vorzug vor vielen Jahren bei „Tante Daniele“ auf. Das Walzermotiv dieser missglückten Komödie um eine grundlos abgrundböse Greisin geht augenblicklich ins Ohr und wird sogar in einer Gesangsversion gereicht. Es besteht nur aus wenigen rotierenden Takten.
Im Film „Betty Blue 37°H Le Matin“ findet sich gar kein melodisches Motiv, nur Grooves und Vamps, und das Soundtrack-Album hätte mit knapp 21 Minuten mühelos auf eine Seite einer Langspielplatte gepasst.
Yareds Musik für „Der talentierte Mr. Ripley“ wurde immerhin für den Oscar nominiert – und sie dominierte die Oscar-Verleihung trotz der verfehlten Auszeichnung nicht weniger als den eigentlichen Film.
Diesmal besteht das Leitmotiv aus einer einzigen Phrase, die in unterschiedlichen Orchestrierungen durch unzählige Reprisen geschickt wird. Sie ist derart bezaubernd, dass man sich wünscht, der Künstler würde einmal ein wenig länger dranbleiben.
Ein klassischer Song hat ja auch nur 32 Takte …
Na, wie wär’s, Monsieur Yared?

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Eine Antwort zu Die Petitessen des Monsieur Yared

  1. Pingback: Augen zu, Ohren auf: "Tante Daniele" - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

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