„konventionell“ ist das neue „unkonventionell“

betr.: 46. Geburtstag von Matthew McConaughey / „True Detective“ (Season One)

Seit vor einem halben Jahrhundert die Regietheater-Theaterregisseure auf die Idee kamen, dass man Kulissen auch einfach weglassen (bzw. durch Waschbeton ersetzen) kann, dass Schauspieler auch in historischen Stücken nackt sein (und sich im Laufe des Abends einsauen) können, gibt es einen Modernitätsbegriff, der bis heute – obwohl inzwischen ein uralter Hut – als letzter Schrei gilt.
Im Krimi gibt es das auch – noch nicht ganz so lange wie die (Voll-)Schmiererei auf der Theaterbühne, aber auch hier haben sich gewisse Novitäten unterdessen etwas zu oft wiederholt.
Ermittler dürfen nicht mehr sympathisch und aufgeräumt wirken, sie müssen gefälligst muffelig, cholerisch und voller Weltekel daherkommen (lustig-durchgeknallt geht auch), damit niemand den Vorwurf erhebt, das Konzept sei konventionell. Mörder, die bloß ein, zwei Leute umbringen, nimmt niemand ernst. Es müssen gleich Serienmörder sein. Nach Möglichkeit Ritualmörder, die mit der Drapierung ihrer Opfer eine aus dem Ruder gelaufene Religiosität befürchten lassen.

Der heißeste Scheiß, der mir demnach in letzter Zeit unterkam, war eine Serie, zu der mir mehrfach eindringlich geraten worden war, da ich doch gutes dramatisches Serienfernsehen so sehr zu schätzen wüßte; sie ist aktuell, wenn auch nicht brandneu.
Die Preisgunst der DVD-Box brachte mich in Verbindung mit dem übelsten Hexenschuß seit Jahren dazu, mir „True Detective“ tatsächlich vollständig anzusehen. Es war auf eine andere Weise verstörend, als es die Schrift auf der Packung angekündigt hatte.

Die beiden Bullen können einander (wie sich das jetzt gehört) nicht ausstehen – und sie haben vollkommen recht damit. Immerhin lauern da draußen keine Überraschungen auf sie.
Von „Das Schweigen der Lämmer“ über „Twin Peaks“ bis „Angel Heart“ wird auf ihrer Dienstfahrt schamlos alles aufgewärmt, was im Crime- und Horror-Sektor länger als 20 Jahre gelegen hat und seinerseits schon mehrfach wiedergekäut wurde. Sogar die pervers-messiehafte Leatherface-Wohnkultur aus dem noch älteren „Kettensägenmassaker“ ist wieder da, inklusive WG mit der degenerierten Verwandtschaft.
Die Macher von „True Detective“ – der alleinige (!) Autor Nic Pizzolatto und der Regisseur aller acht Folgen Cary Joji Fukunaga – werden so ollen Kram schon altersbedingt nie gesehen haben. Ihre Arbeit schmeckt denn auch eher nach einem Teebeutel, der mehr als einmal im Wasser gehangen hat.
Unter den vielgelobten „geschickten“ Rückblenden wabert eine krude Zettelkasten-Dramaturgie, wie sie mir zuletzt in den Mehrteilern von Francis Durbridge serviert wurde.
Für jeden, der bisher jegliche TV- und Kinoerfahrung vermieden hat, ist „True Detective“ ein knackfrisches Abenteuer – und für die Süddeutsche Zeitung, die hier die Neuerfindung der Fernsehserie an sich erblickt.

Ein befreundeter Redakteur meinte: „Das Tollste an der Serie ist doch, wie scheiße Matthew McConaughey aussehen kann.“ Mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen.
Leider kam diese Warnung für mich zu spät.

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