Macht Leut‘ und Vieh verrückt

betr.: 110. Geburtstag von Otto Preminger

So lief das häufiger ab: die letzten Arbeiten der größten Regisseure des alten Hollywood fanden weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, und mitunter wissen nicht mal ihre Fans, wie sie eigentlich heißen.
Im Falle von Otto Preminger, der mit einem Klassiker des Film Noir gestartet ist, „Laura“ (1944), und noch viele weitere nachgelegt hat, endete die Karriere mit kleineren und eher kammerspielartigen Filmen. Der letzte davon, „Der menschliche Faktor“, wird noch hin und wieder im Fernsehen gezeigt.
Was sich bis zuletzt nicht geändert hat: Preminger galt als Tyrann am Set, der zu Wutausbrüchen neigte. Das wurde durch gewisse Äußerlichkeiten noch unterstrichen: seinen gedrungenen Körperbau, den wuchtigen kahlen Schädel, den österreichischen Akzent, der die Crewmitglieder an versunkene Militärtraditionen denken ließ.
(Diese Wirkung hat er ganz bewußt eingesetzt, wenn er als Darsteller vor der Kamera agierte.)
Eines der ominösen Spätwerke des Regisseurs Otto Preminger war „Tell Me That You Love Me, Junie Moon“, ein Liebesfilm mit Liza Minnelli.
Es gibt da eine Sterbeszene, an die sich der mitwirkende Schauspieler Ken Howard genau erinnerte:

„Ich liege in Lizas Armen, und wir blicken hoch zu einer Eule, die im Baum sitzt. Sie sollte später eingebaut werden, um der ganzen Geschichte als symbolischer Beobachter beizuwohnen. Nun hatten wir Probleme mit dem Wetter, es regnete, und Otto wollte die Sterbeszene unbedingt vorziehen. So kam es, dass wir gleich zu Beginn das Ende drehen mußten. Ich fand das reichlich seltsam – woran Sie erkennen können, wie neu ich noch in dem Geschäft war.
Otto ließ Liza und mich eine Weile proben, während das Set eingerichtet wurde. Er sagte: ‚Dann könnt ihr ja auch schonmal die Eule im Baum drehen, während wir uns um alles andere kümmern.‘
Wir probten mehrere Stunden bis wir endlich ans Set kamen.
Die Eule war leider noch nicht im Kasten.
Die Frau aus der Tierhandlung, der Eulen-Dompteur, der Trainer eines Hundes, der auch noch im Film vorkam, und alle möglichen Leute mit Pfeifen und Fahnen waren inzwischen völlig mit den Nerven fertig, weil die Eule einfach nicht runterkucken wollte. Und das war ja, wie gesagt, ganz wichtig für unsere Szene.
Preminger kommt also ans Set, und vor uns liegt die bewegendste Szene des ganzen Films, in der es still ist und ich in ihren Armen sterbe.
Er fing an zu toben: ‚Wat du ju tell mie? Die Aul dasent luck? Its bien tu Auers! Ju wäist mei Teim!‘ (‚Was erzählt ihr mir da? Die Eule will nicht? Ihr verschwendet meine Zeit!‘)
Die meisten Mitarbeiter waren diese Anfälle ja schon gewohnt.
Der Regisseur befahl: ‚Wir drehen!‘
Unser Kameramann Al Taffit war ein alter Hase – er hatte schon ‚African Queen‘ gemacht.* Er lästerte ständig über Otto, ihn konnte nichts aus der Ruhe bringen. Er meinte: ‚Aber wir müssen doch …‘ – ‚Ruhe! Kamera ab! Action!‘
Die Kamera lief, und Preminger schrie: ‚Oul! Luck daun!‘
Und tatsächlich – die Eule sah nach unten.
Er wartete einen Moment, es regnete, und dann rief er: ‚Schnitt, fertig!‘
Taffit machte die Kamera aus und kippte von seinem Stuhl in den Matsch. Dort blieb er eine Weile liegen und hielt sich den Bauch vor Lachen.“

_____________________
* als Assistent unter Jack Cardiff. Bei „Tell Me That You Love Me, Junie Moon“ ist Boris Kaufman als 1. Kameramann angegeben.

Dieser Beitrag wurde unter Film, Hommage, Medienphilosophie abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert