Winnetussi

betr.: 53. Jahrestag des 1. Auftritts von Pierre Brice als Winnetou in „Der Schatz im Silbersee“

Dieser kleine Monolog (und sein Vorspiel) stammt aus dem Kabarettstück „Alexis darf nicht sterben“ und ereignet sich während einer Therapiessitzung. Den hier gleich nachfolgend beschriebenen Aspekt hatte ich frei erfunden. Nach einer Aufführung kam ein gerührter Zuschauer zu mir und sagte: „Fein beobachtet! Genau so läuft das!“

.          Dr. Sversterberg: Einen Moment! Eben fällt mir doch brühwarm ein, daß ich noch in die Stadt muß. Meine Cousine vom Bahnhof abholen. Hätt ich fast vergessen!

.          Waldo: Tja, wie schade …

.          Waldo: Tja, was machen wir denn da?

.          Dr. Sversterberg: Tja, was machen wir denn da? – Passen Sie mal auf! Ich brauche die Praxis genaugenommen in den nächsten zwei Stunden nicht. Und ich hielte es nicht für klug, den Heilungsprozeß an dieser Stelle zu unterbrechen – jetzt, wo Sie gerade so schön in Fahrt gekommen sind. Warum bleiben Sie nicht einfach noch’n bißchen da und erzählen mir einfach mal alles der Reihe nach, während ich mich um meine Cousine kümmere?

.          Waldo: Aber … das kann ich doch nicht annehmen.

.          Dr. Sversterberg: Annehmen schon. Fragt sich, ob Sie’s bezahlen können. Haha. Kleiner Scherz am Rande – natürlich können Sie!

.          Waldo: (müde mitlachend) Jahahaha.

.          Dr. Sversterberg: Wir sollten jetzt dranbleiben! Also, sein Sie schön tapfer, nehmen Sie kein Blatt vor den Mund – ich bin in spätestens 120 Minuten zurück, gell. Sprechen Sie ein bißchen über Ihre Kindheit, das kann nie was schaden! So machen sie’s im Fernsehen auch immer. Über ihre Barbie-Puppen-Phase oder was auch immer. Bis gleich!

(Doktor ab)

.          Waldo: Barbiepuppen! Aber Herr Doktor – Tschüßchen – wofür halten Sie mich? Die Dinger finde ich, ehrlich gesagt, total blöde. Mit denen kann man ja gar nichts machen. Die haben nicht mal Kniegelenke. Unfaßlich!
Ich habe immer mit meinen Freundinnen Karl May gespielt. Die hatten nämlich Kniegelenke – und mehr!
Ich war grundsätzlich Old Shatterhand, meine Schwester Sigrid war Winnetou, und zwar, weil sie das einzige Kind in der ganzen Siedlung war, das schon behaarte Unterarme hatte. Trotzdem machte das noch keinen richtigen Winnetou aus ihr – nur so eine Art … Winnetussi. Und ihre Freundin Ursel war Nschotnschi. Das war die Schwester von Winnetou, die in unsterblicher Liebe zu Old Shatterhand – also mir – entbrennt, was aber nichts macht, da sie ja später auch umkommt. Zunächst mußten wir uns aber um die feindlichen Indianerstämme kümmern. Das Fahrrad meiner Schwester wurde als Pferd zurechtgemacht, mit einem Besenstiel. Erstens mußte das Pferd ja einen Kopf haben, und zweitens verfing sich der Besen früher oder später jedesmal in den Speichen, und die dumme Nuß segelte auf die Fresse, aber eine Squaw kennt ja nunmal keinen Schmerz.
Die feindlichen Indianer waren unsere doofen Nachbarskinder.
Die wurden dann von uns eingefangen und auf kleiner Flamme geröstet. Irgendwann haben sich die Eltern dann auch beschwert, daß da irgendjemand immer ihre Blagen dezimiert, aber – Gott, wir waren jung. Da tut man sowas.
Jedenfalls gab es einen kleinen Krach mit unseren Stammesältesten, und wir mußten unsere Sujets auf innerstämmische Konflikte reduzieren. Wir machten das Beste draus und näherten uns wieder der Romanvorlage an, die wir ja alle aus dem Fernsehen kannten.
Wir kümmerten uns also um die Beseitigung und Beerdigung von Nschotnschi. Am Ende eines harten Tages im Westen zerrten wir ihre ramponierten Überreste aus dem Unterholz und begruben sie bei Hubers hinter der Brombeerhecke. Dann wurde getrauert, das Gewehr bei Fuß (salutiert), und dann radelten wir mit unseren Dreirädern der untergehenden Sonne entgegen.
Und wenn am nächsten Tag schönes Wetter war und nichts im Fernsehen kam, sind wir auch schonmal rausgegangen und haben nach ihr gesehen.
Das haben wir Tag für Tag gespielt, jahrelang, und mit der Zeit haben wir es natürlich immer weiter ausgebaut und perfektioniert.
Mit Barbiepuppen wäre sowas undenkbar gewesen.

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