Atlantis nochmals besucht

betr.: 77. Jahrestag des 1. Auftritts von Prinz Namor von Atlantis, dem späteren Marvel-Comic-Helden

„Als Kolumbus Amerika entdeckt hatte, kam eine Reihe von Rätseln auf, über die sich die Gelehrten in Europa den Kopf zerbrachen – denn obwohl ein weites Meer Amerika von Europa und Afrika trennt, haben sich auf beiden Kontinenten ganz ähnliche Kulturen entwickelt. Zum Beispiel: Die Zeiteinteilung der Maya wurde nach dem selben Prinzip vorgenommen, nach dem der Gregorianische Kalender in Europa entstanden ist. Die gleichen Tierkreiszeichen wurden benutzt, das gleiche Dezimalsystem, die gleichen mathematischen Gesetze. Silber und Gold waren genauso wertvoll wie in Europa und in Afrika. Beides diente zur Herstellung von Schmuck und Geld. Die Banane war seit jeher ein Gewächs Asiens und Afrikas, das sich durch Verpflanzen von Wurzelschößlingen vermehrt. Kolumbus sah sie auch in der Neuen Welt gedeihen. Elefanten haben zu seiner Zeit auf dem amerikanischen Kontinent nicht existiert, aber man hat Abbildungen von ihnen an den Wänden vorgeschichtlicher Höhlen in Peru gefunden. Die Pyramiden in Mexiko und in Ägypten sind nach den gleichen architektonischen Gesetzen errichtet worden. Es besteht eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen der Darstellung einer Hexe in Spanien und der Vorstellung, die man sich von einer Hexe in Mittelamerika machte. Aber das Erstaunlichste von allem: Legenden der Maya und Azteken berichten wie die griechische, hebräische und assyrische Literatur von einer schrecklichen Sintflut, von einer Sintflut, die – wie man annahm – das Bindeglied zwischen den Erdteilen vernichtete: ein Urreich, das seine Kultur nach beiden Seiten, nach Westen und Osten getragen hatte. Der griechische Philosoph Plato hat als erster vor über 2000 Jahren diese Theorie niedergeschrieben; es existierte einmal zwischen Europa und Amerika noch ein Erdteil: Atlantis, der verlorene Kontinent!“

Atlantis - The Lost Continent (2)
Nur so ist die Welt komplett: eine Darstellung von George Pal aus dem Jahre 1961.

In diesem Prolog zu seinem Fantasyfilm „Atlantis, The Lost Continent“ faßt der Trickfilmer und Regisseur George Pal den Mythos des Inselreiches zusammen. (Der nachfolgende Film wurde von „Movies On TV“ als „unfreiwillig komisch“ getadelt und ist seinem Thema inzwischen in die unerreichbaren Tiefen des Meeres gefolgt.)
Atlantis!
In meiner Jugend bin ich dreimal dortgewesen. Bei jedem Besuch gewann der Ort eine neue Facette dazu.

Zunächst einmal las ich den Comic „The Secret Of Atlantis“. Es war dies eines der ganz wenigen Abenteuer von Carl Barks (lange bevor irgendjemand dessen Namen kannte), die in „Walt Disneys Lustige Taschenbücher“ erschienen sind.* Onkel Dagobert und seine Entenfamilie gehen auf Tauchstation, erfahren, dass die Bewohner von Atlantis nicht etwa bei einer plötzlichen Katastrophe umgekommen sind, wie wir immer vermutet haben, sondern dass ihr Kontinent so langsam versank, dass sie sich im Laufe unzähliger Generationen allmählich auf Kiemenatmung umstellen konnten – in Umkehrung der Evolution.

Dann sah ich die Fernsehserie „Der Mann aus dem Meer“ mit Patrick Duffy als propperem Fischmenschen. Ich mochte die hübsche Filmmusik von Fred Karlin. Und ich freute mich über den Auftritt des fetten Bösewichts Professor Schubert, der von dem großartigen Victor Buono gespielt wurde. Die Serie wurde von Folge zu Folge haarsträubender – das fiel sogar meinem Sitznachbarn Frank irgendwann unangenehm auf, der nicht gerade ein Intellektueller war. In den USA führte dieser Trash-Faktor zur Einstellung des Formats nach 13 Folgen, so dass Hauptdarsteller Duffy bei „Dallas“ unterschreiben, Karriere und Fernsehgeschichte machen konnte.

Aquarius #1
Noch’n Mythos: dieses Comicheft hat es nie gegeben. Prinz Namor war ab 1974 die Füll-Serie bei „Die Spinne“ („Spider-Man“). (Copyright by MARVEL COMICS GROUP)

Meinen ausführlichsten Ausflug in das schweigende Märchenreich verschaffte mir ein Marvel-Comic, der auf eine Vorlage von Bill Everett zurückging. (Er dürfte bei der Entwicklung der TV-Serie mit Patrick Duffy eine große Rolle gespielt haben und auch bei der Gestaltung von Mr. Spock.) Wie sich das gehört, schlug sich der Held der Reihe, Prinz Namor, auch oberhalb des Meeresspiegels als Gaststar mit den Heroen des Marvel-Universums herum. Er war ein unverstandener, grüblerischer Prinz, eine Comic-Version des Hamlet.
„Aquarius“ machte Lust auf die Mythologie und die Antike. Und er gewährte mir, einem lebenslangen Nichtschwimmer, ein paar kostbare Einblicke in ein unbekanntes Element.

___________________________________
* in der Nummer 53 „Dagobert, der Milliardenakrobat“ vom 28.4.1978. Titel des Abenteuers: „Onkel Dagobert auf Tauchwegen“

Dieser Beitrag wurde unter Comic, Fernsehen, Film, Marvel, Popkultur abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Atlantis nochmals besucht

  1. Pingback: "Aquarius - Prinz Namor, der Held von Atlantis" - die deutsche Chronologie von MARVELs "Sub-Mariner" - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

  2. Pingback: Wo lag Atlantis? - Monty Arnold blogt.Monty Arnold blogt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert