Broadway’s Like That – Die Geschichte des Musicals (7)

2. Bring On The Girls (2) (Fortsetzung vom 29. April)

Außer für „Pretty Girls“ oder Songwriter boten die Ziegfeld Follies auch eine Plattform für Komiker. Der melancholische schwarze Komiker Bert Williams etwa gehörte mehrere Jahre zum Stammpersonal. W.C. Fields verdiente sich hier seine Sporen. Fanny Brice, deren Spezialität ihr jiddisch gefärbter Songvortrag war, wurde in den Follies berühmt. 1964 komponierte Jule Styne ein Musical über Fanny Brice, die von Barbra Streisand dargestellt wurde: „Funny Girl“. Mit dem Song „His Love Makes Me Beautiful“ wird eine große Hochzeitsnummer aus den Ziegfeld Follies ironisch nachgestellt.

P. J. Wodehouse und Guy Bolton geben in ihrem Erinnerungsbuch „Bring On The Girls“ eine drastische Schilderung der Entfaltungsmöglichkeiten für Songtexter: „Revue-Songtexte jener Zeit waren monströse Ungetüme, bei denen auf eine Einleitung 12 Strophen folgten. Jede begleitete den Auftritt eines anderen Mädchens in irgendeinem außergewöhnlichen Kostüm. Der Text wurde um die Kleider herumgeschrieben.“
Zusammen mit Jerome Kern trugen sie – Bolton als Librettist und Wodehouse als Songtexter – dazu bei, dass Libretto, Musik und Songtexte in der Musical Comedy zu einem dramaturgisch stimmigen Ganzen zusammenfanden. Ihre Namen bleiben mit den Princess-Theatre-Musicals verbunden, mit dem Geist, mit dem Besonderen dieser Shows – obwohl sie nicht an allen zusammen gearbeitet haben. Die berühmtesten vier dieser Musicals – „Very Good Eddie“, „Oh, Boy!“, „Leave It To Jane“, „Oh Lady Lady“ – entstanden zwischen 1915 und 1918.

The Siren’s Song_Leave It To Jane

Wie man darin hört, zollte auch Kern der Tanzbegeisterung der Zeit tribut. Aber die Princess-Theatre-Shows hatten noch mehr zu bieten. Einmal hoben sie sich von der inzwischen als überdimensioniert, überladen und zu exotisch empfundenen europäischen Operette ab. Das Princess-Theatre, für das sie geschrieben wurden, hatte nur 299 Sitze. Entsprechend klein waren Ensemble und Orchester, entsprechend intim die Wirkung. Das Libretto drehte sich um amerikanische Alltagstypen, nicht um Prinzen aus imaginären Balkan-Staaten und als Zofen verkleidete Herzoginnen.

Dann unterschieden sich die Princess-Shows auch von den eher dürftigen, ungehobelten zeitgenössischen Musical Comedies. Durch eine stringentere Handlung, in die auch die Musiknummern sinnvoll eingebunden sein sollten, durch eine Komik, die aus der Handlungssituation heraus und nicht durch aufgesetzte Komikerspäße erzielt wurde. Außerdem waren Musik und Songtexte auffällig gehaltvoll. Wodehouse, der ja auch heute noch als Autor humoristischer Romane und als Erfinder der Gestalt des Butlers Jeeves bekannt ist, schrieb geistreiche, witzige Texte. Kern komponierte eine Musik, die zwar von der europäischen Operette gelernt hatte, aber doch als eigenständig amerikanisch empfunden wurde.

1917 formulierte Kern seine Vorstellung einer Theatermusik: „Meiner Meinung nach, sollten die Musiknummern die Handlung des Stückes weiterführen und typisch sein für den Charakter der Figuren, die sie singen. Songs müssen zur Handlung und Stimmung des Stückes passen.
Mit diesen, damals durchaus nicht selbstverständlichen Kriterien, benennt Kern genau das, was einen Theatersong von einem Popsong unterscheidet.
Durch Kern ist dieser Unterschied auch dem jungen George Gershwin bewusst geworden. Wie er haben auch andere jüngere Broadway-Komponisten Kern als Vorbild, ja als Vater einer amerikanischen Musik verehrt.
Gershwin übte sich als Komponist, indem er Kern so genau imitierte, dass – so meine Gershwin später – Kern selbst keinen Unterschied bemerkt hätte.
Die Presse attestierte “La, La Lucille” sowohl die Inkarnation des Jazz als auch, so klang- und gefühlvoll wie bester Kern zu sein.
Forts. folgt

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