That’s Up, Doc!

betr.: 27. Todestag von Mel Blanc

Es gab eine Zeit, da war die Stimme des beteiligten Sprechers von immenser Bedeutung für die Entstehung einer Cartoonfigur. Auch bei Mickymaus? Naja – da nur insofern, als Mickymaus – die ihre ersten Abenteuer noch im Stummfilm erlebte – insgesamt eine Trickfilmversion ihres Miterfinders Walt Disney war (so beschrieben es später mehrere Beteiligte) und Disney der Figur schließlich seine Stimme lieh, als der Ton hinzukam; doch auch das war nicht von Anfang an so geplant: Disney hatte so klare Vorstellungen davon, wie diese Maus klingen sollte, dass man ihm schließlich nahelegte, es doch gleich selbst zu machen.
Immerhin formulierte Walt Disney, der sich von allen Trickfilmern besonders erfreut auf das neue Medium Tonfilm stürzte, die seither gültige Regel, dass man zuerst den Ton aufnehmen müsse – wie ein Hörspiel, frei von Synchron-Beschränkungen – und danach die Bilder herzustellen habe.

Bald kam die Zeit, in der die Trickfilmabteilung der Warner Brothers den bis dato führenden klassischen  siebenminütigen Vorfilmen aus dem Hause Disney mächtig Konkurrenz machte – auch bei der Oscarverleihung. Deren vergleichsweise braven Abenteuern um Mickey und Donald setzten die „Looney Tunes“ (bereits dieser Titel verweist hochachtungsvoll auf die vorangegangenen Disney-Formate) pure Anarchie entgegen: besonders erfolgreich mit dem schwarzen (!) Enterich Duffy Duck und bald mit einer Figur, die den Beteiligten zunächst vorkam wie „ein Daffy Duck im Kaninchenkostüm“. Dieser Charakter entwickelte sich bald zu einem rotzfrechen und hochgradig pubertierenden Schrecken der Obrigkeit (vertreten durch den dümmlichen Hobby-Jäger Elmer Fudd). Während Daffy ein eher scheiternder Taugenichts war und blieb – mit einem Sprachfehler gewissermaßen als letztlicher Antiheld gekennzeichnet – blieb Bugs Bunny stets der Überflieger. Dass das niemals langweilig wurde, spricht für die Qualität der Figur.

Aber zurück zu seiner Stimme. Neben dem Chefzeichner und Regisseur Chuck Jones war es vor allem Mel Blanc, der Bugs Bunny seine unvergleichliche Frechheit mitgab. Blanc erzählt, er habe sich diesen Burschen als einen toughen Straßenjungen aus Brooklyn oder der Bronx vorgestellt, und mit dem Dialekt sei sogleich die Stimme für ihn klar gewesen. Vor den Karotten, in die Bugs Bunny ebenso gerne biss wie Bogart an seiner Zigarette zog, ekelte sich der Sprecher. Also probierte man anderes Gemüse aus. Vergeblich – nur Karotte klingt wie Karotte. Man behalf sich schließlich, indem man Mel Blanc das abgebissene und angekaute Stück wieder ausspucken ließ, ehe der Dialog fortgesetzt wurde.

Mel Blanc

Blanc war eine Säule des US-Trickfilms (bei den „Looney Tunes“, wo er fast sämtliche Hauptrollen sprach, und anderswo), doch blieb er uns hierzulande naturgemäß unbekannt. Schließlich war es in den frühen Zeiten des Pantoffelkinos noch nicht möglich auf den Originalton umzuschalten. So hat er auch an der Entstehung von Barney Geröllheimer („Familie Feuerstein“) den beschriebenen Anteil. (Bei uns wurde die Figur fabelhaft durch Gerd Duwner zum Klingen gebracht.)
Optisch ist Mel Blanc mindestens einmal in unserem Wohnzimmer aufgetreten: als Zahnarzt in Billy Wilders „Küß mich, Dummkopf!“

Als die Warner-Brothers-Trickfilme erstmals Anfang der 70er Jahre ihr deutsches Publikum im Kinderfernsehen erreichten (Disney-Cartoons sah man dort erst deutlich später), war Bugs Bunny Teil eines Ensembles, in dessen Mittelpunkt das stotternde Ferkel „Schweinchen Dick“ gestellt wurde. (Einzelne Folgen der Schweinchen Dick-Serie waren ihm ganz gewidmet.) Als diese Filme nach einigen Briefen besorgter Eltern als zu brutal eingestuft wurden, nahm sie das ZDF aus dem Vorabendprogramm. („Der rosarote Panther“ trat die Nachfolge an.) Erst in den 80er Jahren kam Bugs Bunny prominent zurück – diesmal als Titelfigur in „Mein Name ist Hase“. Und da spielt auch seine Stimme wieder eine große Rolle: der Schauspieler Gert Vespermann erwies sich als späte aber ideale deutsche Synchronbesetzung und wurde sogar im ZDF-Vorspann genannt. Sein nichtgenannter Partner, der Berliner Kabarettist Dieter Kursawe, war ein ebensolcher Glücksfall, aber noch komischer als miesgelaunter Erpel Duffy, der endlich sogar seinen Sprachfehler pflegen durfte. Bugs Bunny wiederum redete konsequent in einer persönlichen Kunstsprache („Das wird ja heutigentags wieder eine Verlustigung erster Kajüte!“), die vielen von uns große Freude machte.
Als junger Fan dieser deutschen Bearbeitung glaubte ich, nun sei die Welt in Ordnung, so würde es für immer sein. Leider orientierte man sich bei den notwendigen späteren Neubesetzungen dieser Charaktere nicht an dieser Sternstunde, dafür wurde – quasi als Ersatzbefriedigung – Bugs Bunnys Slogan „What’s Up, Doc?“ in die deutsche Fassung übernommen. (Das ist hochanständig, aber eher bürokratisch korrekt als wirklich werkgetreu.)

Immerhin: den originalen Mel Blanc auszuwechseln – etwa, weil er nicht in Dolby Digital aufgenommen wurde – ist den Verantwortlichen im fernen Hollywood bisher nicht eingefallen.
Noch nicht.

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