Das tut man nicht!

betr.: 27. Todestag von Leslie Halliwell

Wer heute wissen will, wer sich hinter einem Namen verbirgt, dem kann im Internet schnellstens geholfen werden: „geboren auf Helgoland“ steht dann da oder „bis 1987 Mitglied des hessischen Landtages“. Fehlt ein Bild, bleibt bei mir der angestrebte Effekt – „Ach, der ist das!“ – meistens aus. Ich tröste mich dann mit der Floskel, dass Äußerlichkeiten ohnehin keine Rolle spielen sollten.
Wenn es um Menschen geht, die den Schauspielerberuf ausüben, ist eine gewisse Oberflächlichkeit allerdings unvermeidlich.
In den seligen Zeiten, da die political correctness noch nicht bis in den letzten Winkel unseres Alltags vorgedrungen war, zog man Leute wie Ephraim Katz oder Leslie Halliwell zu Rate, deren jährlich erscheinende backsteindicke Lexika über Filmschaffende das Bücherregal verschönerten.
Bezeichnenderweise hieß Halliwells Buch „Filmgoers’ Companion“ und half dem Gedächtnis mit saftigen Kurzbeschreibungen auf die Sprünge, die heute als indezent gelten würden. Sie waren es keineswegs. Sie waren hilfreich – und nicht zum Schaden des jeweiligen Filmstars, der ja gerade auch seine besonderen Kennzeichen zu Markte trug.

Halliwell pflegte einen Kurzportrait-Stil, der die Fantasie des Lesers beflügelte und das Erinnerungsvermögen aufräumte. „Rotund and balding“ wird ein Nebendarsteller beschrieben, der sich sowohl in komischen als auch in Gangsterrollen bewährt. Ein ähnlich vielseitiger Kollege, der doch meistens Gangster spielt, macht seinen Weg mit „gross physique, gravel voice, rubbery face, crooked mouth and mischievous twinkle“. Fieslinge werden nicht nur besonders gern gespielt (wie man immer wieder hört), sie werden auch überaus malerisch beschrieben: „most convincing as an evil villain with a fixed gaze in his unblinking blue eyes.“ Doch nicht nur sie. Der Leser blickt in „globular bulging eyes“, auf eine „long, bulbous nose“ oder trifft auf einen „pint-sized comedian with expressive facial features“.
Der Übergang zum Leselexikon verschwimmt bei Hinweisen wie:  „Like the characters he often played, he never married.“ oder „She played mothers, often to actors her own age.“

Diese Farbenfreude gehört sich in biographischen Einträgen nicht mehr, was auch damit zusammenhängt, dass begleitende Abbildungen – wenn auch bei weitem nicht immer vorhanden – heute gemeinhin erwartet werden können. Selbst Sachliches wie „small-framed character player“ oder „lovable, teddy-bear-personality“ werden heute lieber vermieden. Aber auch der Anteil der Charakterköpfe ist merklich zurückgegangen. Zu reiner Schönheit gab und gibt es naturgemäß weniger zu sagen. Als „dashingly handsome“ wird ein Schauspieler bei Ephraim Katz beschrieben, den ich einst in einem Sandalenfilm gesehen habe, und er verfügt sogar über eine „resonant voice“. „But his Hollywood career was short-lived“, heißt es weiter, „and by the late 50s he was appearing in minor Continental action spectacles“.

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