Broadway’s Like That (41): Der Welterfolg von „My Fair Lady“

14. Operetten-Revival am Broadway (2) 

Auch das wichtigste Broadway-Musical der 50er Jahre sollte noch der alten Operettenseligkeit verpflichtet sein, das Meisterwerk von Alan Jay Lerner & Frederick Loewe. Ihr am 15. März 1956 erstmals in New York aufgeführtes Werk „My Fair Lady“ brach die Rekorde von „Oklahoma!“, ist bis heute eines der weltweit meistgespielten Stücke und für viele der Inbegriff des Musicals geblieben. Zwei Lieder – „I Could Have Danced All Night“ und „On The Street Where You Live“ – standen schon vor der New Yorker Premiere in den Hitparaden. Bei der Vergabe der Antoinette Perry Awards erhielt “My Fair Lady” insgesamt neun Tonys, darunter auch den für das beste Musical der Spielzeit. Binnen weniger Jahre lief das Stück in allen Metropolen der westlichen Welt – die Berliner Bühnenfassung von Günter Neumann war nach dem Krieg die erste Musicalübertragung ins Deutsche überhaupt – der Cockney-Akzent des Blumenmädchens wird hier durch den berlinerischen ersetzt. Selbst in Moskau, wo „My Fair Lady“ im Rahmen eines Kulturaustauschs gezeigt wurde, fand das Werk so großen Anklang, dass sogleich eine russische Version davon produziert und unter dem Titel „Mya Prekrasnaja Lady“ gespielt wurde. Die aufwändige Verfilmung mit Rex Harrison und Audrey Hepburn – die Julie Andrews’ Part übernahm – erwies sich 1964 ebenfalls als Kassenschlager.

Die Geschichte spielt im edwardianischen London des Jahres 1912. Der misogyne Sprachwissenschaftler Henry Higgins wettet mit seinem Bekannten Oberst Pickering, dass er eine 18jährige Blumenverkäuferin namens Eliza Doolittle trotz ihres derben Dialektes und ihrer unfeinen Ausdrucksweise in Kürze zu einer Dame der Gesellschaft machen kann, die gepflegt zu parlieren versteht. Als die Rechnung nach großer Mühsal schließlich aufgeht und Eliza zum glanzvollen Mittelpunkt eines Diplomatenballs wird, behandelt er seine Schülerin weiterhin mit der gehabten Herablassung. Erst nachdem sie ihn wutentbrannt verlassen hat, erkennt er, was sie ihm bedeutet – zu seiner Überraschung und Freude kehrt sie zu ihm zurück.

Der ungarische Filmproduzent Gabriel Pascal, der jahrelang um Rechte und Realisierung seines Projektes gekämpft hatte, erlebte den triumphalen Erfolg nicht mehr – er war 1954 verstorben. Zwei Jahre zuvor hatte er Lerner & Loewe erstmals vorgeschlagen, aus George Bernard Shaws Schauspiel „Pygmalion“ ein Musical zu entwickeln. Das Duo arbeitete sechs Monate an dem Stoff und gab schließlich auf – wie auch Rodgers & Hammerstein, die Pascal ebenfalls darauf angesetzt hatte. Erst 1954 gelang Lerner & Loewe in einem zweiten Anlauf die Adaption, indem sie in bis dahin ungekannter Werktreue Shaws Dialoge weitestgehend übernahmen. Dessen Schauspiel geht auf ein von Ovid in seinen „Metamorphosen“ überliefertes griechisches Sagenmotiv zurück, das von einem Bildhauer berichtet, der sich in eine von ihm geschaffene Frauenstatue verliebt und sie zum Leben erweckt. War in der Schauspielfassung die Eliza meist von 30- bis 50jährigen Darstellerinnen gespielt worden, wurde bei der Produktion des Musicals Shaws Altersangabe ernst genommen und die junge Engländerin Julie Andrews engagiert. Dass der britische Higgins-Darsteller Rex Harrison über keine Gesangsstimme verfügte, störte niemanden: sein Sprechgesang war idealer Ausdruck für Higgins’ Unfähigkeit, Gefühle zu zeigen und ermöglichte einen nahtlosen Übergang vom Sprechen zum musikalischen Räsonnieren, z.B. wieso eine Frau nicht wie ein Mann sein kann. (In Leslie Bricusses „Doctor Doolittle“ hat Harrison dieses Konzept sogar noch einmal eingesetzt.)
Die Film-Eliza Audrey Hepburn durfte im Film nicht selbst singen – obwohl sie das ja in „Breakfast At Tiffanys“ schon einmal kurz auf der Leinwand getan hatte. Ihre Stimme wurde von Marni Nixon gedoubelt.

Forts. folgt

 

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