Die schönsten Comics, die ich kenne (33): Von der Zerstörung der Demokratie

„Die Schlümpfe“ in „Der Oberschlumpf“
Text: Yvan Delporte, Zeichnungen: Peyo
Erstveröffentlichung in „Spirou“ Nr. 1378 (1964) als „Le Schtroumpfissime“, nachgedruckt als Schlumpf-Album #2 (1965) bei Dupuis, deutsch in „Fix und Foxi“ Nr. 35-42/1969, nachgedruckt als „Fix und Foxi Album“ Nr. 3 (1971) und als „Die Schlümpfe“-Album Nr.1 (1976) bei Gevacur sowie 1996 bei Carlsen als „Schlumpfissimus, König der Schlümpfe“, neu übersetzt von Marcel Le Comte

Die Zivilisation ist nur eine dünne Schicht, mit der die Bestie Mensch im Laufe der letzten Jahrtausende mühevoll nach und nach überzogen wurde, und sie blättert augenblicklich ab, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr gegeben sind. Und mit ihr – gewissermaßen als erstes – rieselt auch die Demokratie an uns herunter, die sich zuletzt und ganz zuoberst auf dieser Schicht gebildet hat, als krönender und zierender Abschluss dieser Entwicklung.
Dieses ist die Botschaft des Literaturklassikers „Der Herr der Fliegen“ von William Golding. Am Beispiel einer Gruppe von Sechs- bis Zwölfjährigen, die nach einem Flugzeugunglück auf einer Insel auf sich gestellt sind, wird die Aussichtslosigkeit des Unterfangens beschrieben, es „einfach so“ zu schaffen, zivilisiert zusammenzuleben.
Zur Zeit der Erstauflage des Romans mag der Zweite Weltkrieg eine Rolle gespielt haben, der den historischen Hintergrund der Geschichte bildet und der 1954 allen noch gut in Erinnerung war. Selbstverständlich braucht die Parabel diesen Querverweis nicht zumal heute, da unserer Zivilisation ganz neues Unheil droht.
Das Abenteuer „Der Oberschlumpf aus der Comicreihe „Die Schlümpfe“ des Belgiers Pierre Culliford (Peyo) ist eine Adaption dieses Romans, und sie stellt die schleichenden Mechanismen, mit denen der aufstrebende Tyrann arbeitet, in den Vordergrund. Während die englischen Schulkinder im Roman eine Art Stunde null erleben und die Gesellschaft in der Wildnis nachzubauen versuchen, ist es bei den Schlümpfen eine bestehende (wenn auch märchenhaft simple) Ordnung, die nach und nach von innen heraus zersetzt wird.

Die Rezeption der Comicreihe „Die Schlümpfe“ (1958–1988) wird heute von betont kindgerechten Trickbearbeitungen und einem niedlich-dümmlichen Schlager-Evergreen aus den 70er Jahren geprägt. Das ist irreführend, denn einige der zugrundeliegenden Comic-Abenteuer haben durchaus Relevantes zu erzählen und tun dies auf hochintelligente, niemals bevormundende Art und Weise. Das Abenteuer „Korkenschlumpf oder Schlumpfzieher“ hat eine ähnlich gewichtige Botschaft wie das oben beschriebene. „Der Weltraumschlumpf“ ist ein beiläufig erzähltes Buch über bedingungslose Freundschaft, „Schlumpfinchen“ eines der frechsten über Mann und Frau.

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