Die schönsten Filme, die ich kenne (15): „Das unbekannte Gesicht“

betr.: 57. Jahrestag der Erstsendung des Films „Das unbekannte Gesicht“ („Dark Passage“) im deutschen Fernsehen

Humphrey Bogart und Ingrid Bergman dürften das Traumpaar des alten Hollywood sein – noch vor Clark Gable und Vivien Leigh. Bogie hatte in Wirklichkeit eine andere Traumfrau, seine 25 Jahre jüngere Ehefrau Lauren Bacall. Sie passte viel besser zu ihm (was das ruppige Temperament betraf) und hat auch häufiger mit ihm vor der Kamera gestanden. Den unterhaltsamsten dieser Filme inszenierte Delmer Daves.

Vincent Parry (Humphrey Bogart, dem wir zunächst nicht ins Auge sehen dürfen, da die Handlung hauptsächlich aus seinem Blickwinkel erzählt wird) gelingt es, aus dem Zuchthaus von San Quentin zu fliehen. Er will einen Justizirrtum korrigieren: Parry hat den ihm zur Last gelegten Mord an seiner Frau nicht begangen. Auf der Flucht begegnet er der jungen Irene Jansen (Bacall). Parry lässt sich in ihrem Wagen an den Polizeipatrouillen vorbeischmuggeln und fährt mit ihr nach San Francisco. Gewisse Details – Irene weiß erstaunlich z.B. gut über ihn bescheid und kennt eine bemerkenswert böse alte Bekannte Parrys – irritieren ihn so sehr, dass er nachts ihre Wohnung verlässt, um seinen Freund George aufzusuchen. Der gutherzige Trompeter erklärt sich bereit, ihn für ein paar Tage aufzunehmen.
Mit Hilfe eines Taxifahrers gelangt Parry an einen verkrachten Gesichtschirurgen, der bereit ist, ihn zu operieren. Als er in die Wohnung zurückkommt, findet er George ermordet auf. Da sich dort überall seine Fingerabdrücke finden, gibt es nun einen zweiten Mord, von dem er sich reinzuwaschen hat. Er beschließt, seine Operation in Irenes Obhut verheilen zu lassen. Zu ihr zurückgekehrt, bekommt er es auch noch mit einem Erpresser zu tun …

„Das unbekannte Gesicht“ zählt offiziell weder zu den größten Bogart-Filmen noch zu den großen Klassikern seines Genres, doch er wartet mit besonderen Vorzügen auf. San Francisco sah als Kulisse selten so stylish aus und ist für den Schauplatz eines Film Noir erstaunlich oft in strahlende Helligkeit getaucht. Houseley Stevenson hat einen grandiosen Auftritt als schmuddeliger Ex-Mediziner, der zur Begrüßung von seiner Vorliebe erzählt, Patienten zu verunstalten, deren Nase ihm nicht passt. Clifton Young als hilfsbereiter und gleichsam elender Erpresser hat noch immer das Lausbubengesicht seiner Zeit bei den „kleinen Strolchen“, was seiner Heimtücke einen besonderen Pfiff gibt. Den Vogel schießt Hollywoods grandioseste Schreckschraube vom Dienst Agnes Moorehead ab: ihre Madge Rapf ist ein Horrorwesen, das sich auch in der „Muppet Show“ bestens gemacht hätte. Aber – und das ist das Erstaunliche – sie weiß auch in diesem Drama zu überzeugen. (Vielleicht ist sie ja mit „Die schwarze Natter“ gemeint – unter diesem Titel lief der Film im Kino.)

„Das unbekannte Gesicht“ entstand 1947, wenige Jahre, bevor der pseudo-antikommunistische Terror des Senators McCarthy Fahrt aufnahm, gegen den sich Bogart & Bacall sich anfangs noch zu engagieren wagten. Aus dieser Phase stammt ein Radio-Statement Bogarts, das sich auf eine der berüchtigten Anhörungen vor dem McCarthy-Ausschuss bezieht, aber auch in unsere Tage passt: „Wir waren dabei, als einem amerikanischen Bürger das Wort verboten wurde. Und wir sagten uns: Selbst in diesem Land kann so etwas passieren. Amerikaner wurden wie Kriminelle behandelt, nachdem man sie gehindert hatte, sich zu verteidigen. Der Hammer des Vorsitzenden schnitt freien Bürgern das Wort ab. Ganz Amerika wird es hören, Mr. Thomas*. Jedesmal, wenn ihr Hammer fällt, trifft er die Verfassung der Vereinigten Staaten!“

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* J. Parnell Thomas, der später wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis ging.

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