Die schönsten Filme, die ich kenne (17): „Die Morde des Herrn ABC“

Um die Aufregungen seines Lebens als weltberühmte Denkmaschine zu zerstreuen, reist Hercule Poirot nach London. Er bleibt jedoch nicht dabei, sich neu einkleiden (d.h. von seinem blasierten Schneider demütigen) zu lassen, denn zur selben Zeit beginnt in der Stadt ein Serienmörder sein Unwesen zu treiben, der seine Opfer in alphabetischer Reihenfolge abmurkst. Poirot macht in der Sauna die verstörende Bekanntschaft mit der mutmaßlichen Täterin (einer offenbar verwirrten Blondine) und des britischen Agenten Hastings, der von der Regierung als seine Leibwache abgestellt wurde. Widerwillig beteiligt der Gast aus Belgien den skurrilen Briten an seinen Ermittlungen. Sie führen das ungleiche Gespann hinein in das Intrigengespinst einer reichen Londoner Familie. Poirot braucht nach dem ersten noch einen zweiten Showdown, um den Fall schließlich aufzuklären.

Als ich „Die Morde des Herrn ABC“ zum ersten mal im Wohnzimmer meines Elternhauses sah, begriff ich nicht, was ich da Einzigartiges vor mir hatte – zumal mir der Anfang entgangen war. Der Anblick der beiden Charakterkomödianten Robert Morley und Tony Randall ließ mich dranbleiben, und nach wenigen Minuten schaute ich ein kleines Wunder: die leibhaftige Miss Marple alias Margaret Rutherford kam mitsamt ihrem Mr. Stringer um die Ecke (- die charakteristische Musik spielte dazu). Sie sah den Protagonisten des Films – ihr noch berühmteres Gegenstück im Werk der Agatha Christie – kurz irritiert und etwas angewidert an und setzte dann wortlos  ihren Weg fort.Der Initiator dieses filmischen und literarischen Zusammentreffens war Frank Tashlin, Lieblingsregisseur und wichtiger Lehrmeister des jungen Jerry Lewis.*

„The Alphabet Murders“ entstand 1963 parallel zu „Der Wachsblumenstrauß“, dem zweiten Film der „Miss Marple“-Reihe. Darin spielte der zu jener Zeit unglaublich gut beschäftigte Morley den Betreiber eines Reithotels. Oberflächlich betrachtet fängt der Poirot-Krimi das altmodisch-spleenige Flair der Marple-Reihe perfekt ein, doch sein Witz ist weitaus schräger, derber, selbstbewusster, wuchert auf allen Ebenen: im Soundtrack (Geräuschdramaturgie, Dialog und Filmmusik), den Kamerapositionen, dem Licht- und Schattenspiel, der Montage, der Dekoration und Requisite, der Schauspielerführung und – wie wir gesehen haben – der Besetzung. Keinem Film von Frank Tashlin merkt man so deutlich dessen Vergangenheit als Cartoon-Regisseur an – nicht einmal denen mit Jerry Lewis. Dieser Agatha-Christie-Krimi ist so durchgeknallt, dass ich mich des Eindrucks bis heute nicht erwehren kann, er sei nur für mich ganz allein gedreht (und synchronisiert) worden.

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* … mit dem er zusammen bereits „Artists And Models“ gemacht hatte – dazu ein andermal mehr.

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2 Antworten zu Die schönsten Filme, die ich kenne (17): „Die Morde des Herrn ABC“

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  2. René sagt:

    Ist das der Film mit den originellen Morden, bei dem u.a. eine schlafende Frau getötet wird, indem durch die Decke eine Flüssigkeit oder ein Faden gelassen wird, und als sie am Morgen entdeckt wird, vom Kopf nur noch der Schädel übrig ist?

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