Die schönsten Filme, die ich kenne (25): “Die Abrechnung“

Dieser Film ist zweierlei: ein regulärer „Tatort“ um den Essener Oberkommissar Haferkamp und ein Gerichtsfilm, ein ganz eigenständiges Kriminaldrama, das in seiner verwinkelten Moral und seinen finster ausgeleuchteten Holzvertäfelungen an Dürrenmatt erinnert. Die gesamte Atmosphäre hat mehr von einem besseren deutschen Kinofilm der 70er Jahre als von einem Reihenkrimi. Bei aller Ernsthaftigkeit, die er seinem Sujet widerfahren lässt – immerhin kommt im Laufe der Geschichte ein Kind zu Tode – ist er so skurril, dass er beinahe zur Parodie gerät. In den „Best Of“-Weihefestspielen, die das Erste regelmäßig um den Klassiker der Serie „Reifezeugnis“ herumgruppiert, fehlt er denn auch zuverlässig.

Der greise Millionär Stürznickel wurde erschlagen, angeblich von einem Einbrecher, den seine Schwiegertochter Evelyn erwischt und erschossen hat. Haferkamp glaubt ihr diese Geschichte nicht, doch da er keine Beweise hat, kann der prominente Familienanwalt Dr. Alexander einen Freispruch erwirken. Das Publikum fällt ein anderes Urteil über die reiche Erbin, die sich offen zu ihrem außerehelichen Verhältnis mit einem frechen Taugenichts bekennt. Bald darauf wird Evelyns Stieftochter umgebracht, und erneut steht die Dame als Hauptverdächtige vor Gericht. Diesmal tritt Dr. Alexander deutlich weniger pompös auf. Haferkamp wundert sich über die schwache Verteidigung …

Der leise Hansjörg Felmy war damals der beliebteste deutsche TV-Ermittler, und seine Fälle sind insgesamt feiner gealtert als die seines Nachfolgers Schimanski. „Die Abrechnung“ lebt von Felmys Duell mit dem begnadeten Schmieranten Romuald Pekny, der ihm vor Saalpublikum den Vorwurf macht, ein verklemmter Spießer zu sein. Auch als der Kommissar den schrecklichen Juristen schließlich übertrumpft, lässt ihn dessen Kritik nicht los, und er trollt sich als moralischer Verlierer. Das ist ein leiser Vorgeschmack auf den zunehmend gebrochenen Kommissartypus späterer Jahre, der in den mitunter restlos soziopathischen Krimihelden aktueller Konvention gipfeln wird. Es ist ein wohltuend leiser Vorgeschmack.

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