Broadway’s Like That (60): Ein geliebter Reinfall

18. Hollywood und der Broadway – Eine Hassliebe (5)

Zwischen 1889 und 1912 entwickelte sich das Kino von einer Jahrmarksattraktion zu einer selbstständigen Wirtschaftsbranche und Kunstform. Es folgte die Blütezeit des Stummfilms (die Jahre 1913 bis 1927), also die große Zeit des Produzenten Mack Sennett. Er gilt heute als Erfinder der Slapstick-Komödie und als König des Sahnetortenkinos. Die Filme jener Zeit waren Zweiakter-Comedies (also Filme, die auf zwei Spulen zu zehn Minuten Laufzeit passten) und wurden in der Regel ohne Drehbuch gefertigt, nur einer groben Grundidee folgend, aus der Spielfreude Sennetts und seiner Darsteller geboren, mit den Gegebenheiten des Drehortes experimentierend.
Diese Arbeitsweise und das Glück, einer „Goldgräberzeit“ beizuwohnen, besingt Sennett als männliche Hauptfigur  von „Mack And Mabel“ in seiner Auftrittsnummer*: die Keystone Kops und ihre Verfolgungsjagden, die Bathing Beauties, Bösewichter, welche als solche schon an der Aufmachung bequem zu erkennen waren: viktorianische Fettwänste mit Rasputin-Bart und dämonischem Make-Up. Stars wie Keaton, Chaplin und die schon erwähnte Gloria Swanson machten einen schnellen Dollar, ohne so recht zu ahnen, dass sie Kunstwerke schufen. Der Song heißt „Movies Were Movies“.

Ähnlich wie die Sondheim-Shows „Merrily We Roll Along“ und „Anyone Can Whistle“ war „Mack And Mabel“ ein Flop, der dem Broadway heute leidtut und der es in bescheidener Weise immer wieder auf die Spielpläne schafft. Texter und Komponist Jerry Herman – der besonders große Erfolge mit seichteren Arbeiten haben sollte – lieferte nach Meinung vieler Insider seine gediegenste Partitur ab. Allein die Songs „I Won’t Send Roses“ für Mack alias Robert Preston und „Time Heals Everything“ für Bernadette Peters, die die Schauspielerin Mabel Normand verkörpert, gehören zu den besten Balladen der Musical-Literatur. Sie erfüllen in mustergültiger Weise die hohen Anforderungen, die Oscar Hammerstein II. an ein „nicht-banales Liebeslied“ stellte.***

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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/11/05/wir-hatten-die-eier-dazu/
** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2017/03/27/die-vielen-langen-schatten-der-norma-desmond/ und das vorige Kapitel dieser Reihe https://blog.montyarnold.com/2017/05/30/broadways-like-that-59-norma-desmond-wird-pop/
*** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2016/12/10/broadways-like-that-36-youll-never-walk-alone/
Forts. folgt

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Eine Antwort zu Broadway’s Like That (60): Ein geliebter Reinfall

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