Broadway’s Like That (62): Der letzte Torch Song

17. Die Konzepte des Mr. Sondheim (2)

Obwohl „Follies“ vom Jahr darauf noch zu seinem Frühwerk gehört, beschäftigt sich Stephen Sondheim hier bereits mit Verfall und Vergänglichkeit – außerdem mit Adoleszenz und Reue, mit Dingen, die man bereut, weil man sie unterlassen hat.
Verpackt ist das Ganze in eine Nostalgie-Revue; der Titel spielt auf die Revuen von Florenz Ziegfeld an, die  ihren Namen Anfang des Jahrhunderts von den Tollheiten der Pariser „Follies Bergères“ übernommen hatten. Sondheims Musik parodiert die Klassiker des Great American Songbook. Die Gershwin-Hommage „Losing My Mind“ zählt zu seinen bekanntesten Songs und wird von der Fachwelt als letzter Torch Song der Musical-Literatur betrachtet.

Seinen mit Abstand populärsten Song schrieb und textete Stephen Sondheim jedoch für das nächste Werk, die dritte und versöhnlichste Gesellschaftskomödie, die er gemeinsam mit Hal Prince verwirklichte. „A Little Night Music“ ist eine Adaption des Ingmar-Bergman-Films „Das Lächeln einer Sommernacht“ und vollständig im Dreivierteltakt gehalten. Als Beitrag zur Popkultur sollte sich der Song „Send In The Clowns“ erweisen, dessen Text im Zirkusmilieu angesiedelt ist, der jedoch zwischen den Zeilen von einer Beziehung handelt, die nicht mehr funktioniert, deren Timing nicht mehr stimmt. Ausgerechnet diese doppelbödige Nummer wurde von praktisch allen weiblichen Größen der seinerzeitigen Entertainment-Branche gecovert (und von einigen männlichen), zumeist mit unverändertem Aufbau und Arrangement. Oscar Hammerstein II. – in Sondheims Jugend sein Nachbar, väterlicher Freund und Ratgeber – wäre stolz auf diese ganz und gar nicht banale Ballade seines jungen Kollegen gewesen.

Arrangeur Jonathan Tunick bezeichnete seine Arbeit am Broadway einmal als einen „Sechswochenjob, der in vier Wochen gemacht werden muss“. Über „A Little Night Music“ sagte er: „Die Harmonien sind so subtil, ich musste sie erst einmal aus dem Klavierauszug heraushören. Aus diesem Grund habe ich auch härter an diesem Stück gearbeitet als an den anderen. Diese Shows werden in großer Eile hergestellt. Für den Komponisten gäbe es gar keine Zeit, auch noch die Orchestrierung zu machen. Er hat genug damit zu tun, sich um die Produktion zu kümmern und die vielen Änderungen vorzunehmen.“

Forts. folgt

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