Fülle des Wohllauts

betr.: 93. Geburtstag von Maurice Jarre

Maurice Jarre wurde in Lyon in eine russischstämmige Familie hineingeboren. Sein Vater war technischer Direktor beim Lokalradio. Das ist unser Glück, denn bis zu seinem 16. Lebensjahr hatte sich der Junge nur für Sport und Naturwissenschaften und überhaupt nicht für Musik interessiert. Dann brachte sein Vater ein paar 78er-Platten mit nach Hause, und als Maurice die „Ungarische Rhapsodie“ aus dem Lautsprecher scheppern hörte, wollte er augenblicklich Dirigent werden. Um ein guter Pianist zu werden, war er zu alt. Ein befreundeter Dirigent tröstete ihn mit dem Hinweis, mit seinem guten Rhythmusgefühl könne er immer noch zu einem guten Schlagzeuger heranwachsen. Tatsächlich studierte Maurice Percussion am Pariser Konservatorium und schätzte es, in seinen stillen Momenten das Orchester zu beobachten. Bezeichnenderweise beginnt sein internationaler Durchbruch mit einem furiosen Einsatz des Schlagwerks: „Lawrence von Arabien“. Gleich danach wird das Lawrence-Motiv gespielt – weit und majestätisch wie die Wüste selbst, eine der unvergesslichen Kompositionen des Kinos -, und erst dann beginnen Vorspann und Film.
Mit „Lawrence von Arabien“ begann 1962 Jarres lange Zusammenarbeit mit dem britischen Regisseur David Lean. Aus ihr ging wenige Jahre später auch „Dr. Schiwago“ hervor, dessen „Lara’s Theme“ vielleicht noch populärer geworden ist als der dazugehörige Film.

Lawrence-Theme_cutDie Schönheit der Wüste in musikalischer Form – aber ohne die elende Hitze. Maurice Jarres unsterbliches Lawrence-Thema. 

(Es sei hier der etwas hemdsärmelige Hinweis gestattet, dass sich in den 70er Jahren die „Lawrence“-Melodie in einem James-Bond-Film wiederfand und der musikalische „Mittelteil von Dr. Schiwago“ Gegenstand eines legendären TV-Sketches wurde.)

Mittelteil von Doktor Schiwago
Der Mittelteil von „Dr. Schiwago“

Jarre fand schnell zu einem Personalstil, der so klingt, als wollte er den militärischen Pomp seiner großen Historienpartituren „Lawrence“, „Der längste Tag“ und „Brennt Paris?“ parodistisch ins leichte Fach mitnehmen. Lange Zeit schrieb er in jeden Film, gleich welchen Genres, einige Märsche hinein. Von den gut drei Jahrzehnten, die er mitgestalten sollte, bleibt das erste sein reichstes und eindrucksvollstes: die Sixties. In den 80er Jahren wandte er sich zunehmend dem Synthesizer zu – „Eine verhängnisvolle Affäre“ haben Sie vielleicht noch im Ohr. Bei diesem Künstler, der so fabelhaft mit dem Orchester umgehen konnte, wirkte die elektronische Musik immer etwas wohlfeil und bequem und hatte nie die naturgemäße Richtigkeit, die das populäre Werk seines Sohnes Jean-Michel auszeichnet.
Irgendwelche Zweifel an meiner Bewertung? Recht so! Am besten alles durchhören und selbst ein Urteil bilden! (Ob mit oder ohne Film, ist relativ wurscht.)

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