Es war ein mieser Sommer, Charlie Brown

betr.: Herbstanfang / Krise der Filmwirtschaft

Jeder Beruf ist eine Verschwörung gegen den Laien!
.                                                             George Bernard Shaw

Als Anfang der 80er Jahre Columbia Pictures von Coca Cola geschluckt wurde, ersetzte ein findiger Grafiker die schöne Fackelträgerin des Studiologos durch eine Limonadenflasche. Ich fand das lustig – weit gefehlt! Gut zehn Jahre später begann ich zu begreifen, wie recht er damit hatte: ich ahnte, die Zeit könnte vorüber sein, da ich mich im Kino mit einer gewissen Selbstverständlichkeit amüsiert hatte. Mittlerweile gehe ich häufiger ins Theater (Kabarett und Oper mitgerechnet) als ins Kino „wie der Esel, der den Stock auf seinem Hintern spürt und den Futtersack vor sich hat.“
Längst ist auch der Mainstream soweit: in den Feuilletons der letzten Wochen wird abermals ein Miesigkeitsrekord der Filmindustrie ausgerufen.  Die Horrorzahlen schwanken zwischen 10% (Großbritannien) und 13% weniger Einnahmen als im letzten „Pleitensommer“* (Deutschland). Sogar in China sehen die Leute lieber Ware aus Bollywood.
Die Verantwortlichen in Hollywood verstehen mit Sicherheit gar nicht, was das Publikum für ein Problem hat – Kino ist eben nicht ihr Geschäft.
Sie begreifen auch in diesem Herbst nicht, was an „Blockbustern“ und Franchise-Filmen so ermüdend ist, wenn es im kommerziellen Kino keine Alternative mehr gibt.
Sie begreifen nicht, dass ein so herrlicher Comic wie „Valerian“ (ein französischer Film, ich weiß) sein eigentliches Medium bereits gefunden hat und keine Kino-Umsetzung braucht – schon gar nicht, wenn die meisten seiner Ideen schon 40 Jahre zuvor von George Lucas geplündert worden sind.
Sie bereifen nicht, dass das Publikum selbst unmöglich vorher wissen kann, womit es als nächstes überrascht werden möchte. Das herauszufinden und anzubieten, ist noch immer Aufgabe der Künstler und Produzenten.
Sie können und werden niemals begreifen, dass Zuckerwasser aus der Flasche im Zuschauerraum überaus erfrischend ist, aber nichts auf der Leinwand zu suchen hat.

Das einzig Positive, was ich zur tragischen Situation der Filmwirtschaft in diesen Artikeln gefunden habe, ist in einen weiteren Verriss verpackt:  wenn ich mehreren Rezensenten glaube, ist die Verfilmung des Bestsellers „The Circle“ so missraten, dass sie sogar die Mängel der literarischen Vorlage nachträglich bloßlegt. Juliane Liebert leitet daraus in ihrer Kritik** immerhin die tröstliche Pointe ab, dass wir von des Kinos schlimmstem Feind – der modernen US-Dramaserie und ihrer epischen Erzählweise – „inzwischen schon wieder angeödet sein“ dürften. „Als die ersten aufwendigen Serien Furore machten, waren alle begeistert. Nachdem sie zum Standard wurden, stellte sich heraus, dass diese Erzählweise auch ökonomischen Gesichtspunkten folgt. Dadurch entsteht nie eine klare narrative Form, weil die Fortsetzbarkeit immer gegeben sein muss.“ Ähnlich wie in der Sequel-Flut des Kinos existiert „praktisch keine Katharsis mehr, sondern nur noch ewige Dramatik bis zur Erschöpfung (und darüber hinaus).“

Es mag gewisse Leute also trösten, dass die „Abschaffung des Happy Ends“*** den Zuseher nicht auf Dauer froh macht, doch davon werden deren Filme leider nicht besser.

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* SPIEGEL 37 / 2017
** SZ Feuilleton vom 6. September 2017
*** … wie Cadwiller Olden den Siegeszug der Dramaserie nannte …

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