Der Latino- Blues

Als Kindlein auf der Dorfschulbank,
so käsig und verpickelt,
da dachte ich, die Gattung Mensch,
ist nicht sehr weit entwickelt.

Ein jeder Blick in Spiegelglas,
und ich war seltsam abgeregt.
Nein, das war keine Wonne.
Am liebsten hätt‘ ich losgeflennt,
und hätte man schon seinerzeit
den Müll in grün und gelb getrennt,
ich hätt mich still hineingelegt
in unsre Bio-Tonne.

Ein Rundblick durch den Klassenraum
im Mathestunden-Miefe
erhärtete mir den Verdacht:
ganz gleich, wozu der Liebe Gott
den Menschen einmal hat gemacht –
es ging ihm ganz bestimmt dabei
nicht um’s Dekorative!

Auch heute noch, so lang danach,
denk ich so manches Mal
daran, was man erzählt.
Ja: einmal fang ich an von vorn,
ich gehe hops, werd‘ neu gebor‘n,
am andern Ende dieser Welt!

Umarmt von Stränden, weiß wie Schnee
im Lichte liegt es da,
so sorgenfrei und honigsüß:
Lateinamerika!

Könnt‘ ich doch ein Latino sein,
dann lief die Welt mir hinterdrein.
Die Frauen liebten mich per se.
Ich wäre stolz und sagte nee.
Ich hätte Klasse, Charme und Sex,
500 Männer, keinen Ex,
ein Penthouse auf dem Zuckerhut,
der Limbo läge mir im Blut.
Ich wär‘ wie der Bilbao-Mond –
Der ist ja auch Brasil gewohnt!

Das ganze Leben wär‘ ein Fest,
vorbei die ganze Psycho-Pest!
Ich machte tierisch etwas her –
Wenn ich doch ein Latino wär!

Latinos werden niemals alt,
sie kennen die Migräne nicht
und nicht den Liebesschmerze,
und Haarausfall, Übergewicht,
Krampfadern – alles Scherze.
Sie kommen todschick auf die Welt,
in ihren Taschen wächst das Geld.
Sie können 70mal am Tag,
und kennen einen, der das mag!
Obwohl’s ihn‘ keiner beigebracht,
tanzen sie Samba jede Nacht.
Sie brauchen keinen Schönheitsschlaf
Und futtern Eiscreme – ungestraft!

Ach, wenn ich ein Latino wär,
dann käm ich niemals wieder her.
Ich wär in Südamerika,
mein Mietshaus, es wär‘ nicht mehr da,
und das Büro wär‘ weggefegt
und alles, was mich aufgeregt!
Die Ampeln wären niemals rot,
und im Finanzamt: alle tot!
Vorbei die Tränen, alles Schrei’n –
Könnt‘ ich doch ein Latino sein!

In meinem Traum, da bin ich frei,
und schwerelos und frisch und neu,
liegt jeder Raum im Glitzerkleid,
und Ahnung ist von Seligkeit.
Und wenn die Party überkocht,
das Herz im Höllentempo pocht –
dann schleich ich durch die Hintertür,
ganz still und leise, nur mit mir.
Ich kenn‘ den Weg – geradeaus –
Ich laufe einfach nur nach Haus.

Und wonnig liege ich einher,
die Welt wird klein und kleiner.
Ich brauche keinen andern mehr –
Ich bin ja selber einer.

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