Die schönsten Filme, die ich kenne (52): „Hibernatus“

Louis de Funès war beinahe kahl und fast 50, als er endlich ein Star wurde. Danach drehte er unablässig Filme, in denen er uns im Wesentlichen ein und denselben Rollentyp präsentierte: das zeternde, strampelnde, autoritäre Ekel im Habitus des Chefs bzw. des Familientyrannen. Seltsamerweise hatte er dabei nicht nur die Lacher, sondern auch die Sympathien des Publikums stets auf seiner Seite.
Wirklich famos war Funès in den Jahren von 1961 bis 1976. Davor hatte er seinen Typ noch nicht gefunden, danach begannen ein mieser werdender Zeitgeschmack, schlechtere Drehbücher und die nachlassende Gesundheit des völlig überarbeiteten Komödianten an der Qualität zu nagen.
Die Funès-Filme jener glanzvollen 15 Jahre – natürlich gibt es auch hier Besseres und weniger Gutes –  verschmelzen in der Erinnerung zur amorphen Masse, zu einem einzigen Kino-Marathon. Seinen Fans fällt es mitunter schwer, ihre Lieblingsszenen dem betreffenden Film zuzuordnen; die albernen deutschen Titel, in denen der Held meist „Oscar“ oder „Balduin“ heißt, sind keine Hilfe.
Eine Funès-Komödie ist besser als die anderen: „Hibernatus“.

Hibernatus
„Hibernatus“ („Winterschläfer“) lief bei uns unter den Titeln „Onkel Paul, die große Pflaume“, „Louis, der Giftzwerg“, „Louis taut auf“, „Oskar, der Korinthenkacker“ und „Oskar, der Familienschreck“.

Nach 65 Jahren Kälteschlaf wird Pierre Fournier im ewigen Eis gefunden und wieder aufgetaut. Als er tatsächlich wieder zu sich kommt und den Wunsch äußert, nach Hause zurückzukehren, geben die Wissenschaftler, die den flotten Zwanziger wiederbelebt haben, nach. Doch sie bangen um sein Wohlergehen und fürchten, ihn könnte der Schlag treffen, wenn er bemerkt, dass die Welt inzwischen in den späten 60er Jahren lebt. Das frisch renovierte Haus des Verpackungsindustriellen Paul de Tartas und die nähere Umgebung müssen in den Look der Jahrhundertwende zurückgemodelt werden, um diese Illusion aufrechtzuerhalten und den Schock zu vermeiden.
Der heimkehrende Kälteschläfer Fournier ist nämlich der Großvater von Edmée, der Gattin von Monsieur de Tartas. Sie hat das Vermögen mit in die Ehe gebracht hat, und so muss der Alte gute Miene zum bösen Spiel machen, als Pierre einzieht und sich zum Familienoberhaupt erklärt.
Als erstes wird de Tartas aus dem Haus geworfen. Der neue Hausherr hält Edmée für seine geliebte Mutter und ihren Mann für einen üblen Erbschleicher. Als Pierre der Verlobten von de Tartas Junior den Hof macht, droht die Situation zu eskalieren …

Der Plot ist bei allem Unfug sorgfältig konstruiert und bietet de Funès neben ein paar vielzitierten Kalauern („Meine Frau? Geplatzt!“) im letzten Akt den Vorwand zu einer Gipfelleistung seines Repertoires: als ihm, der im eigenen Haus nichts mehr zu sagen hat, endgültig der Kragen platzt, enthüllt er dem Winterschläfer mit vollem Körper- und Grimasseneinsatz in einem surrealen Monolog, in welcher Zeit er tatsächlich lebt. Die klassische Funès-Ehefrau Claude Gensac ist so schön und raffiniert wie nie. Die Pointen haben unerwarteten Tiefgang, und das Tempo des Films kann mir dem seines Hauptdarstellers mithalten: nach 70 Minuten ist alles vorbei.
Das Ende ist übrigens schrecklich, was der Heiterkeit keinen Abbruch tut.

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