Von Möpsen und Komikern

betr.: 76. Geburtstag von Carol Cleveland

In der miefigen jungen Bundesrepublik war es ausgerechnet Loriot, der ein gewisses Tabu brach. In seiner Werkbiographie “Möpse und Menschen“ gesteht er: „Es war 1969 an einem kalten Januarmittag in der Hamburger Innenstadt. Wir drehten in Sekunden unter den Augen hypnotisierter Straßenpassanten und machten fragwürdige Fernsehgeschichte: es erschien der erste unbekleidete weibliche Körper auf deutschen Bildschirmen. Ich bitte sehr um Entschuldigung.“

In Großbritannien sorgte Carol Cleveland etwa um die selbe Zeit regelmäßig für kleinere Huch-Effekte. Sie war gewissermaßen das siebte feste Ensemblemitglied von „Monty Python’s Flying Circus“.
Frauenauftritte sind in den Sketchen dieser Reihe zumeist schrille Travestie, die sogenannten „Pepperpots“. John Cleese gesteht: „Wir Pythons waren recht einfach gestrickt, was das schöne Geschlecht betraf. Wir sind schließlich Engländer! Wenn wir doch einmal etwas schrieben, das mit Sex zu tun hatte, holten wir Carol Cleveland dazu, die wirklich sexy war.“
Sie sollte eigentlich nur in fünf Folgen mitwirken, aber die Chemie stimmte so gut, dass sich die Komiker für ihr Bleiben aussprachen. Hin und wieder spielten auch andere Mädchen mit, aber „sie bekamen es nie richtig hin. Nur Carol hatte den Dreh raus“, erinnert sich Terry Gilliam. „Sie war so gut in allem, was sie machte. Sie schwebte einfach über all den Seltsamkeiten, die sonst passierten. Sie hatte etwas Integeres, Grundsolides – auch wenn das vielleicht ein seltsames Wort für Carol ist.“
Ein jüngerer Kollege gestand, er habe die Sendung vor allem deshalb so regelmäßig geschaut, weil die Gelegenheit bestand, dass Carol irgendwann ihre Brüste zeigen würde.

Ein Tabu der Glotze wird bis zu deren baldigem Ende ungebrochen bleiben: das männliche Geschlechtsteil ist bis heute Gegenstand allergrößter Delikatesse. Die Kamera-Verrenkungen, die regelmäßig vollführt werden, um dieses Organ nicht oder allerschlimmstenfalls einzelbildweise in Sichtweite zu lassen, erinnern in ihrer putzigen Prüderie an das Deutsche Fernsehen vor 1969. Sogar bei „Game Of Thrones“ wäre ein gut sichtbarer Dödel noch immer ein handfester (Entschuldigung!) Skandal – in England wie in der BRD, in Amiland wie in Westeros.

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