Asche und Diamant

betr.: 98. Geburtstag von I. A. L. Diamond

Im Jahre 1980 widmete die Berlinale dem noch aktiven Komödienmeister Billy Wider eine Retrospektive. Als Nebenprodukt entstand das einzige Buch über „Billy Wilders Filme“, das man als Fan wirklich besitzen sollte, eine Analyse dieser Filme (bis auf einen) und das witzigste all der vielen überlieferten Wilder-Interviews: „Ich nehm‘ das alles nicht so ernst …“* (– natürlich tut er das!)
Heute wissen wir, dass danach Schluss mit lustig war. Im nächsten Jahr folgte noch „Buddy Buddy“, in dem Wilder das von ihm geschaffene Erfolgsgespann Lemmon-Matthau noch einmal zusammenbrachte. Es ist – vor allem für Fans des großen Regisseurs und Drehbuchautors – eine qualvolle, zermürbende Veranstaltung. „Buddy Buddy“ wirkt wie eine gehässige Parodie auf Billy Wilder, durchtränkt mit verreckenden Zoten und jenem Zynismus, der ihm jahrzehntlang zu unrecht vorgeworfen worden war.

Wilder, der beste und produktivste Komödienautor und –regisseur des Tonfilms, ist in den letzten Jahren seines Lebens noch vielfach geehrt und gefeiert worden, und das ist gerecht und beglückend. In der arte-Dokumentation „Du sollst nicht langweilen“ erklingen – 15 Jahre nach seinem Tod – erstmals kritische und besinnliche Töne über die letzten Jahre.
Billy Wilder gehörte zu den Opfern einer gewaltigen historischen Umwälzung: dem Ende des Studiosystems. 1978 drehte er – gezwungenermaßen in Deutschland – seinen vorletzten Film „Fedora“ über eine zurückgezogen lebende alte Filmdiva. Sein Co-Autor I. A. L. Diamond war dagegen, diesen Film überhaupt zu machen, und auch Wilder äußerte im kleinen Kreis gewisse Zweifel. Er war mit seiner jungen Hauptdarstellerin Marthe Keller schrecklich unzufrieden. (Auch die ältere, Hildegard Knef, fand die Arbeit an „Fedora“ im Rückblick „eeeent-setzlich!“)
I. A. L. Diamond stand mit angespannt zusammengerolltem Drehbuch am Set und wachte wie ein Schießhund darüber, dass auch nicht eine Silbe geändert wurde. (Selbst Jack Lemmon hat Änderungsvorschläge nur probieren dürfen, wenn die ursprüngliche Zeile schon im Kasten war.) Mario Adorf fügte seinem Text in einer Szene intuitiv wieder und wieder ein „Oh!“ hinzu, woraufhin Diamond ebenso oft abbrach. Adorf erzählt, wie gedemütigt sich der Co-Autor fühlte, als Wilder das „Oh!“ schließlich tatsächlich sinnvoll fand und er die entsprechende Änderung in sein Skript eintragen musste.
Diese sklavische Einhaltung einmal ausgetüftelter Ideen hatte Jahrzehnte zuvor zu Meisterwerken geführt, doch es war für die Schauspieler schon damals nicht leicht gewesen, so zu arbeiten. Als die leidgeprüfte Marthe Keller ihren älteren Kollegen William Holden fragte, wie er diese Tyrannei drei Filme lang ausgehalten hat, soll dieser geantwortet haben: „Ganz einfach. Ich kriege hinterher jedesmal eine Oscarnominierung.“
„Fedora“ ist trotz all seiner Kalamitäten hinter den Kulissen und all der Mängel, die im Endprodukt zu sehen sind, immer noch ein unterhaltsamer und bewegender Film, spätestens wenn man bereit ist, ihn als Camp aufzufassen.
Nichts dergleichen lässt sich von „Buddy Buddy“ sagen. Diamonds Sohn Paul erzählt, er habe seinem Vater damals geraten, sich einen weiteren Mitautor zu suchen: „Selbst ich könnte das besser – und ich bin wirklich nicht der beste Autor! Er machte den Film, und es war wieder kein schöner Dreh. Und ein weiterer Reinfall, wieder ein schlechter Film, den niemand sehen wollte.“

Nach dem Flop gingen Wilder und Diamond sofort wieder in ihr Büro im „Writers & Artists Building“ in der Nähe des Rodeo Drive, um weiterzuarbeiten. Bis Diamond irgendwann sagte: „Ich kann nicht wiederkommen. Ich habe einfach zu viele Behandlungen. Ich habe Krebs.“ Vier Jahre lang hatte Iz Diamond diese Tatsache vor seinem Freund und Kollegen Billy verheimlicht. Sechs Wochen später war er tot.
Von da an ging Wilder noch viele Jahre lang allein Tag für Tag ins Büro. „Aber er hatte kein Streichholz mehr, das er an der rauen Oberfläche anzünden konnte“, wie Paul Diamond es ausdrückte.
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* Geführt von Heinz-Gerd Rasner und Reinhard Wulf. Die minuziösen Film-Analysen stammen von Neil Sinyard und Adrian Turner – Verlag Volker Spiess, Berlin

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