Sich wappnen gegen eine See von Pixeln

betr.: 7. Privattheatertage Hamburg / Rede von Axel Schneider

Es ist ungewiss, ob den siebten Hamburger „Privattheatertagen“ noch eine achte Ausgabe folgen wird. Ich bedanke mich herzlich beim Festivalchef und Intendanten Axel Schneider für die Genehmigung, Näheres dazu seiner Eröffnungsrede vom 19. Juni entnehmen zu dürfen – und weiterhin ein paar ganz grundsätzliche Gedanken zum Theatermachen und -besuchen in unserer digitalen Epoche.

Privattheatertage 2018

Ich habe mit den Jahren lernen müssen, wie sehr auch demokratische Einrichtungen von den Personen abhängen, die sie vertreten, bzw. die in ihnen arbeiten.
Jedes Jahr darf ich hervorheben, wie sehr wir Rüdiger Kruse die Unterstützung durch den Bund und namentlich der Staatsministerin für Kultur und Medien Frau Monika Grütters verdanken, ohne die wir die Bezuschussung der notwendigen 500.000 Euro nicht bekämen. Nun wechselt Rüdiger Kruse als Wirtschaftsexperte seiner Partei im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages als Berichterstatter zum Ressort „Verkehr und digitale Infrastruktur“. Er hat uns zwar versprochen, dass er dafür sorgen wird, dass die Züge für die Reisende Jury in Zukunft pünktlicher fahren werden, aber einen direkten Einfluss auf die Vergabe der Bundesmittel für die Kultur hat er nicht mehr. Die Mittel werden erst wieder im November verteilt, ob die PTT dabei sein werden, steht für mich in den Sternen.
Kennen Sie den lateinischen Spruch: „Ora et labora“? Das heißt: „Bete und arbeite“. Man hat den Spruch bei den Römern auch im Kreis geschrieben gefunden: Ora et labora et labora et labora und so fort.
Bete und arbeite und arbeite und arbeite … Wir können nicht mehr als beten und arbeiten und arbeiten und arbeiten für dieses wunderbare Festival. Aber entscheiden, ob es weitergehen kann, tun andere.

Der Erfolg dieses Festivals ist großartig. Ich bin echter Hamburger und halte es eigentlich gerne mit Understatement, aber manchmal gehört auch Trommeln zum Handwerk. Daher möchte ich unterstreichen: Das Festival führt viele Theaterschaffende zusammen. Dadurch entstehen Kontakte und Jobs für freie Regisseure und Schauspieler.
Es entsteht ein Erfahrungsaustausch über Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Theatern, aber auch Städten und Bundesländern. Inspirationen werden gefördert durch die verschiedenen Theaterstile und die Wahrnehmung geschärft für Interessen und Strömungen beim Publikum.
Wofür steht aber so ein Festival inhaltlich, welche Botschaft steht hinter dem Spielplan, der ja erstmal eine individuell zusammen getragene Leistungsschau ist und wen können wir damit erreichen?
Zumal sich das Theaterpublikum rasant verändert.
Ich traf vorgestern einen alten Schulfreund, der inzwischen Direktor am „Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte“ ist und drei Söhne hat. Nun schreibt er ein Buch über das Kirchenrecht des 17. Jahrhunderts und schleppte seine Jungs mit durch Kirchen, bis der Älteste fragte: „Was willst Du uns damit zeigen, wo doch so viel in der Welt passiert?“ Er sagte mir: „Wie soll ich einem Jugendlichen vermitteln, dass es wichtig ist, zu wissen, wo wir herkommen? Was unsere Geschichte unsere Traditionen unser Glaubensfundament ist?“
Auch wir müssen uns die Frage stellen: warum Theater, warum kein Film aus der Konsole?

Wenn besonders jüngere Menschen täglich im Durschnitt mehrere Stunden in den sozialen Netzwerken verbringen, wie schaffen wir es, dass es attraktiver, also more sexy ist, sich im Theater zu treffen und über das gemeinsam erlebte Live-Erlebnis zu sprechen?
Das ist die entscheidende Herausforderung für unsere Gesellschaft. Jede Neuigkeit, jede Information können Sie vermeintlich in Sekunden erlangen. Wie können wir damit überzeugen, dass bei aller Reizüberflutung der Reiz des Theaters nachhaltiger ist, tiefer und damit prägender wichtige Werte vermittelt?
Ora et labora et labora et labora. Wir können nur hart arbeiten, um ein entsprechendes Angebot zu schaffen.

Mit dem leider inzwischen verstorbenen Schauspieler Gert Haucke saß ich mal im Kino. Wir sahen „Matrix“, nach der Aufführung sagte er mir: „Axel, du wirst sehen, irgendwann sind wir Schauspieler alle ersetzbar.“ Wenige Jahre danach kam „Avatar“ heraus, ein Film in dem über 50 % der Figuren per Animation entstanden.
Vor kurzem erzählte mir ein befreundeter Dramaturg eines großen Staatstheaters außerhalb von Hamburg ganz begeistert, dass sie nun planen, ein Stück zu machen, in dem die Zuschauer per Handyentscheid den Verlauf schon im Vorfeld beeinflussen können, dazu kann das Theater per Hologramm die Schauspieler aufnehmen und programmiert „auftreten“ lassen, so dass sie teilweise selber gar nicht mehr auftreten müssen. Auch das ist eine neue Entwicklung!

Ich bin froh, dass Sie im Rahmen der Privattheatertage noch echte Schauspieler auf der Bühne sehen, die Aufregung des Moments zu spüren bekommen und Geschichten erzählt bekommen über Moral und Werte, die wir Gefahr laufen zu verlieren oder bereits verloren haben.
Die Welt ist nicht schlechter, aber das Theater als Gegengewicht um so wichtiger geworden. Das ist meine Überzeugung.

Auszüge aus der Eröffnungsrede der 7. „Privattheatertage Hamburg“ von Axel Schneider, alle Rechte vorbehalten

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