Wo nie ein Taktstock zuvor gewesen ist – Der Komponist Bernard Herrmann (7)

Fortsetzung vom 26.7.2018

Herrmanns Oper „Wuthering Heights“ findet eine klangpoetische Entsprechung ebenso für die entfesselten Naturgewalten wie für den Aufruhr in den Herzen seiner Helden. Stilistisch steht das Werk in der Nachfolge von Debussys symbolischen Drama „Pelleas et Melisande“ und geht seinerseits den Opern von Benjamin Britten und Gian Carlo Menotti voraus. Anklänge an Herrmanns eigene Filmmusik „Jane Eyre“ und „The Ghost And Mrs. Muir“ sind herauszuhören, und der heutige Musikfreund vernimmt bereits eine Andeutung von „Marnie“ und „Vertigo“.

„Wuthering Heights“ geriet zu einem künstlerischen Erfolg, wenn die Verbreitung des Werks dem Komponisten auch in den verbleibenden Lebensjahren manche Frustration bereitete. Der 1950 fertiggestellte Vierakter wurde erst 1982 – sieben Jahre nach Herrmanns Tod – von der Portland Opera (Oregon) erstmals aufgeführt. Die zeitgenössische Opernbühne war mit trendigeren Produktionen beschäftigt: den Werken von Boulez, Cage und Stockhausen. Bernard Herrmann selbst finanzierte später im englischen Exil eine Studio-Einspielung, die er als LP-Box ausfertigte, um damit hausieren zu können, ehe die Oper 1972 vom „Unicorn“-Label veröffentlicht wurde. 20 Jahre später erschien diese Aufnahme auch auf CD.
War Herrmanns Arbeit der damaligen Opernwelt zu „klassisch“, so ging er im Film keinem stilistischen Experiment aus dem Weg und wurde dort zu einem wirklichen Erneuerer des Orchestersounds.

Mit „On Dangerous Ground“ kehrte er 1951 auf die Leinwand zurück, einem späten Beitrag zum Film Noir. Acht Hörner begleiten eine Verfolgungsjagd mit einem boshaften Jagdmotiv, der Track heißt folgerichtig „Death Hunt“.
Im Anschluss schuf Herrmann einen Soundtrack von immensem Unterhaltungswerk für einen Klassiker des Science-Fiction-Genres: „The Day The Earth Stood Still“, ein von Robert Wise formulierter Friedens-Appell, der im Eröffnungslied der „Rocky Horror Picture Show“ beschworen wird.
Klaatu, ein außerirdischer Diplomat, wird in Begleitung seines gewaltigen Roboters Gort zu Erde geschickt, um die Machthaber zur Aufgabe ihrer atomaren Bewaffnung zu bewegen. Sein Vorschlag einer „interstellaren Föderation“ (12 Jahre vor dem ersten „Raumschiff Enterprise“-Pilotfilm) wird zurückgewiesen und Klaatu niedergeschossen. Das setzt den Androiden Gort in Tätigkeit, und die Welt wird – wie im Titel angekündigt – angehalten. Eine beherzte Erdenfrau muss die Sache geradebiegen – mit Hilfe eines Codeworts für Gort, das ihr der Fremde mitgab und das sie selbst nicht versteht.
Bernard Herrmann begleitet dieses Geschehen mit Piano, Harfe, Schlagwerk und düsteren Blechbläsern, denen E-Gitarre, elektrische Violine und Theremin zu Hilfe kommen, das unverzichtbare Musikinstrument für jede unheimliche Begegnung der Dritten Art. Unmittelbar nach der Ouvertüre erklingt das „Radar“-Motiv, in dem Herrmann der „Minimal Music“ frönt, die später Steve Reich und Philip Glass für sich reklamieren sollten.
Forts. folgt

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