Fortsetzung vom 6.8.2018
In seinen nächsten beiden Filmen, die wiederum für die 20th Century Fox entstanden, setzte Herrmann seine orchestratorische Experimentierfreudigkeit fort.
„Beneath The 12-Mile-Reef“ von 1953 spielt in der Welt der Schwammtaucher vor der Küste Floridas und bietet faszinierende Unterwasseraufnahmen im brandneuen Cinemascope-Verfaren. Neun Harfen, von tiefen Bässen und Celli grundiert, erzeugen in auf- und abwogenden Glissandi einen regelrechten Sog. Wenn der Star Robert Wagner mit einem Riesenkraken ringt, wird der stumme Kampf über dem aufgewühlten Meeresgrund hör- und fühlbar gemacht.
„White Witch Doctor“ mit Robert Mitchum und Susan Hayward gab Herrmann Gelegenheit, mit Pentatonik und stampfenden Rhythmen den Schwarzen Kontinent zu beschreiben. Der ethnischen Klangtreue zuliebe, nutzte der Komponist das gesamte einschlägige Arsenal: afrikanische „Talking Drums“, Pauken, Roto-Toms, Rasseln und drei Marimbaphone. Den von ihm gewünschten Gong konnte ihm jedoch erst die Trommelbremse eines ausgedienten Volkswagens liefern.
Mitte der 50er Jahre entstanden auch die einzigen beiden Western im Repertoire von Bernard Herrmann – sieht man einmal von zwei Fernsehserien ab: „Garden Of Evil“ und „The Kuntuckian“. Selbstverständlich war es ihm auch hier ein Anliegen, sich von den musikalischen Konventionen des Genres abzusetzen.
So ließ er sich bei „The Kentuckian“, Burt Lancasters erster und für lange Zeit einziger Regiearbeit, vor Ort zu folkloristischen Hoe-Downs inspirieren, nahm den gemächlichen Rhythmus von Schaufelraddampfern auf und schuf ein impressionistisches Nocturne mit stilisierten Vogelrufen.
Herrmanns Vermeidung des Western-Idioms hatte aber auch einen persönlichen Grund: er war dessen wichtigstem Vertreter in herzlicher Ablehnung verbunden. Dem Russen Dimitri Tiomkin* neidete Herrmann nicht nur den kommerziellen Erfolg, er haderte auch handwerklich mit der von ihm begründeten Mode des Filmsongs.** Seit Tiomkins Hit-Single „Do Not Forsake Me (Oh My Darling)“, die den Erfolg des Western „High Noon“ begleitete und wechselseitig beeinflusste, waren Hollywoods Produzenten besessen von musikalischen Motiven, die sich auch auf dem Plattenmarkt ausbeuten ließen. Sie forderten nun häufig, dass eine sinfonische Filmpartitur ein solches Leitmotiv aufzuweisen habe. Bernard Herrmann, dem Eingängiges bekanntlich nicht lag, hatte sich inzwischen einigen Respekt verschafft und konnte diese Forderung zumeist in Schach halten. Sie sollte ihm ironischerweise erst zehn Jahre später zum Verhängnis werden, am Ende des glanzvollsten Kapitels seiner Karriere. Dieses Kapitel war nun, im Jahre 1954, eben im Begriff zu beginnen: seine Partnerschaft mit Alfred Hitchcock.
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* Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/05/10/bitte-nicht-hassen/
** Siehe dazu https://blog.montyarnold.com/2015/11/11/der-song-des-tages-rawhide/