Gestern im Club

betr.: Das Zebrano-Theater in Berlin / „Club Genie und Wahnsinn“

Hin und wieder werde ich gefragt, ob ich das regelmäßige Auftreten vor Publikum nicht vermisse. Was ich definitiv nicht vermisse, sind die Begleitumstände dieses Auftretens: die übel langen Anfahrten, das viele Warten und Herumsitzen davor und danach und ganz besonders das Selbstverständnis der meisten Kleinkunst-Veranstalter außerhalb der großen Ballungszentren.

Zebrano
Zu Gast bei Sebastian Krämer im „Club Genie und Wahnsinn“
Auf einer Bühne zu arbeiten, die im Normalfall eben keine Bühne, sondern eine Scheune, ein stillgelegtes E-Werk, eine Fabrik oder ganz einfach eine Gaststätte ist, hat die Besonderheit, dass man dort Bühnentypisches wie Bestuhlung, Saaltechnik, ein erhöhtes Podium oftmals nicht antrifft, wenn man naiv zum Dienst erscheint. „Wie bitte?“ fragt man (sich) dann: vorige Woche hat doch hier der Kollege X gespielt, nächste Woche kommt die Kollegin Y, und die Namen von zwei Dutzend weiteren zieren als historische Plakate das Foyer. „Wie haben Sie das denn bei denen gemacht?“ – Es ist eine rhetorische Frage.
Gestern abend hatte ich die Freude, auf einer Kleinkunstbühne zu Gast zu sein, auf der die Widrigkeiten des irdenen Amüsierbetriebs keine Gültigkeit besitzen: im „Zebrano-Theater“ in Berlin-Friedrichshain. Der Leiter des Hauses, ein von mir hochverehrter Kollege, hat mir angeboten, mich bei einigen meiner alten Nummern, darunter eine Stummfilm-Live-Vertonung, zu begleiten.
Der winzige Raum – er wirkt deutlich größer, wenn er wie gestern bis zum letzten Platz mit Publikum bevölkert ist – ist liebevoll ausgestattet und eingerichtet, das technische Personal – ein organisatorischer Übermensch namens Peter – ist auf Zack, die winzige Künstlergarderobe, selbst die kleine Waschküche ist hell und anheimelnd. Kein Wort des Gejammers über Geldsorgen, zu teuer gewordene Kollegen mit großer Karriere oder die galoppierende Kulturlosigkeit kommen den Mitarbeitern des Hauses über die Lippen. Und die Veranstaltung selbst – ich traf auf neue und vertraute Kollegen im Programmumfeld – war schlichtweg bestrickend.
Wenn das Publikum einen nur halb so puren Eskapismus erlebt hat wie ich, dürfen die Künstler des gestrigen Abends ihren Auftrag als erfüllt betrachten.

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