Die schönsten Filme, die ich kenne (75): „The Horse Player“

Kleinstadtpfarrer Amiol hat ein neues Schäfchen dazubekommen: ein etwas grobschlächtiger Herr versäumt neuerdings keinen Gottesdienst und erweist sich bei der Kollekte als überaus großzügig. Das weckt die Neugier des Pfarrers – zumal er das Geld wegen dringend anstehender Reparaturen seiner Kirche gut gebrauchen kann. Der Mann stellt sich als Mr. Sheraton, ein dankbarer Liebhaber des Pferdesports heraus. Seit er den Aushang an der Kirche befolgt, nach dem Gebete stets erhört würden, gewinnt er jede seiner Pferdewetten und konnte sogar seinen wenig ertragreichen Brotberuf aufgeben. Amiol ist entsetzt, dass ausgerechnet sein geistlicher Beistand einen ehrlich arbeitenden Bürger zum regelmäßigen Besucher der Pferdebahn gewandelt hat. Sein Dilemma ist komplett, als ihm Sheraton anbietet, für ihn zu wetten, um die Reparatur des Kirchendaches zu finanzieren …

Der hochproduktive Alfred Hitchcock fand in den besonders aktiven Jahren 1955-62 auch noch Zeit, als Präsentator einer eigenen TV-Serie zu fungieren. Zwar lag die Herstellung der Reihe in den Händen bewährter Mitarbeiter, doch 20 der mehr als 350 Folgen inszenierte er persönlich. Es wurden Bearbeitungen heiter-makaberer Kurzgeschichten geboten, typische Hitchcock-Stoffe, insgesamt vielleicht mit etwas mehr Gewicht auf dem Komödiantischen.
Das Drehbuch zu „The Horseplayer“ (in der untertitelten Version „Die Wette“) wurde von Henry Slesar auf der Basis seiner eigenen Kurzgeschichte geschrieben und zeigt uns Autor und Regisseur von ihrer gänzlich unbeschwerten Seite. Auch der vielseitige Charakterkopf Claude Rains, der von Nazis, Monstern und Mutanten bis hin zu seinem gewitzten Part in „Casablanca“ in jedem Genre, in jeder Tonlage fabelhaft war, darf sich diesmal mit einem vergleichsweise kultivierten Problem herumschlagen.
Die Eröffnungsszene zeigt eine heilige Messe, bei der es während eines Gewitters tüchtig reinregnet. Das ruft bei meiner Generation unweigerlich Erinnerungen an eine der komischsten Szenen im Werk von Louis de Funès wach: in „Le petit Baigneur“ fällt ein Gotteshaus buchstäblich auseinander, während der Pfarrer in seiner Predigt um Spenden für die Sanierung fleht. Der über 70jährige Claude Rains, dessen köstliches Mienenspiel wir TV-gerecht in vielen Großaufnahmen bewundern dürfen, besteht diesen Vergleich mit Bravour.
Um dieses Kleinod der Fernsehspielkunst nicht zu lieben, muss man wohl ein Freund des Pferdesports sein: solche beschwerten sich über „falsche Quoten“ im Drehbuch.

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