Die Frau mit den vier Elefanten?

betr.: Veröffentlichung des Musikvideos „Intercity“ von Rainer Bielfeldt

Die 90er Jahre waren eine Zeit, in der ich in Saus und Braus lebte (… sagen wir: „arbeitete“, was ja die längste Zeit des Tages ein und dasselbe ist).
Ich konnte bei meinen Gastspielen auf vier famose Pianisten zugehen, die mich bei meinen unterschiedlichen Soloprogrammen (meistens waren zwei bis drei davon parallel in Umlauf) begleiteten. Im Grunde konnte jeder von ihnen alles (also mehr, als es für die Begleitung eines musikalischen Solokabarettisten nötig ist), und doch hatten alle ihre besonderen Spezialbegabungen.

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Mein Kollege Hans Peter Reutter (Mitte) und die übrigen Betreiber einer eigenen Hamburger Kleinkunstbühne. Ausriss aus dem „hinnerk“ vom März 1994.

Der fleißigste war über die Jahre sicherlich der Ligeti-Schüler Hans Peter Reutter, der auch bei mir die hochamüsante Rolle des Musikwissenschaftlers „Dr. Bertie“ weiterspielte, die er im Duo „Emmi und Bertie“ an der Seite von Christoph Dompke innehatte. (Inzwischen lehrt er tatsächlich an einer Hochschule.) Als Korrepetitor hatte er außerdem die Gabe, rasch vom Blatt spielen zu können. Dass ich ihn selten zur Vertonung meiner Texte heranzog, sondern ihn lieber Filmmusik und Tin Pan Alley-Material von Aufnahmen herunternotieren ließ, trug er mit größerer Sportlichkeit als Rainer Bielfeldt, der mir diese Nicht-Nutzung seiner Möglichkeiten stets ein wenig verübelt hat.

Madame wünscht kein Aufsehen+Rainer1991 im „Jazzkeller Gießkanne“ in Saarbrücken mit Rainer Bielfeldt. Wir spielten in der SR2-Sendung „Auf in den Keller“, deren Team ich angehörte. Die Kollegen rechts und links von uns sollten mich noch beschäftigen (siehe weiter unten). (Foto: Roger Paulet)

Rainer hatte (und hat noch immer) ein besonderes Händchen für das Freundliche und ins Ohr Gehende. Neben dem rauchzarten Charme, den er von seinem Platz am Klavier aus verströmt, muss man als Komiker erst einmal ankommen.
Auf eigene Initiative vertonte Rainer eines meiner Gedichte, „Fernwunsch“, das er auf einer Manuskript-Rückseite fand (Bei mir wird jedes Blatt doppelt verwendet!). Das so entstandene Chanson „Intercity“ sang er von nun an gern auch bei seinen Solo-Auftritten, brachte es auf seiner ersten CD unter und bezeichnete es jüngst als einen Lieblingstitel.

Florian Noack begleitete mich nur bei meinem Einpersonenstück „Orpheus in der Einbauküche“. Der Song „Käfer im August“ wurde von ihm vertont, ansonsten wünschte ich mir wie üblich ein paar Filmsongs und außerdem die komplette Filmmusik zu dem Gene Hackman-Thriller „Der Dialog“ (ein Werk für Soloklavier).
Florian war ein charismatischer Teufelsgeiger an den Tasten, der sich aufrichtig freute, wenn es im Stück etwas abgründiger und am Klavier etwas expressionistischer zuging. All seiner Liebenswürdigkeit zum Trotz war er die Idealbesetzung für meine kleine klaustrophobische Misantrophie-Solo-Oper.

Der Humoristensohn Sören Sieg, der unterdessen ein gefeierter Schriftsteller ist und das erfolgreiche A-Capella-Quartett „La Le Lu“ mitbegründet und wieder verlassen hat, beschämte mich mit seinem unangestrengten Multi-Instrumentalismus und seinen Konzertpianisten-Qualitäten. Seine Begabung als Chanson-Begleiter – eine klare Struktur, an die sich der Sänger anlehnen kann, bei gleichzeitiger Bereitschaft, jederzeit auf ihn und die Situation zu reagieren – versetzte mich immerfort in Erstaunen. Die fruchtigen Arrangements, zu denen ich ihn anstachelte (Merke: „Was der Sänger singt, muss am Klavier nicht auch noch gespielt werden!“), gingen damit eine beglückende Symbiose ein. Noch heute kann ich beim Besuch der meisten Chanson-Abende angesichts der artigen Begleitung eine mitleidige Blasiertheit nicht unterdrücken.
Mit Sören realisierte ich auch das Stummfilm-live Programm „Väter der Klamotte“, das bis heute hin und wieder gebucht und dann von Hans Peter Reutter begleitet wird.
Vor dem Eintreffen von Laurel & Hardy im Hamburger Programmkino „Metropolis“.
An diese Mitstreiter zurückdenkend kommt mir eine Liedzeile von Paul Francis Webster in den Sinn: „It was so good to be young then, in a season of plenty.“

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