Die wiedergefundene Textstelle: Mutter Marais

betr.: 20. Todestag von Jean Marais

Als ich den Schauspieler Jean Marais zur Kenntnis nahm, spielte er „Fantomas“ in der gleichnamigen Filmreihe, die damals im Fernsehen ausgestrahlt wurde und die jeder Halbwüchsige gesehen haben musste.
Meine Mitschüler und ich hatten keine Ahnung, wer dieser Jean Marais war – und es interessierte uns auch nicht besonders, da ihm Louis de Funès als glückloser Inspektor Juve irgendwie die Show stahl. Wir wussten nicht, dass sich Jean Marais in den Jahren zuvor als schneidiger Held zwischen Kostüm- und Actionfilm bewegt hatte und dass er noch früher der jugendliche Teil eines berühmten schwulen Künstlerpaares gewesen war. Dazu passte die Geschichte seiner besonderen Mutter-Sohn-Beziehung:

Als ich zur Welt kam und meine Mutter merkte, dass ich ein Junge bin – sie hatte vor meiner Geburt eine zweijährige Tochter namens Madeleine verloren, und sie wünschte sich wieder ein Mädchen – darum sagte sie nach meiner Geburt: „Ich will ihn nicht sehen!“ Am Anfang war ich also nicht sehr willkommen.
Aber später hat meine Mutter mich sehr geliebt, und ich habe meine Mutter sehr geliebt.
Es war schon seltsam: als Spielzeug bekam ich als Junge Puppen, aber da meine Mutter ein Mädchen wollte, behandelte sie mich wie ein Mädchen – zumindest die ersten sechs, sieben Jahre. Zwischendurch war sie drei Monate, sechs Monate, sogar vier Jahre lang weg. Und das war sehr geheimnisvoll. Ich wunderte mich auch, dass sie immer so viele Pakete und Geschenke mitbrachte. Bei uns war jeden Tag Heiligabend. Sie beschenkte meine Großmutter, die Kinder, alle möglichen Leute. Und – naja, so mit achtzehn Jahren begann ich zu ahnen, dass da etwas nicht stimmte. Und meine Tante sagte zu mir: „Ja, mein armer Kleiner. Deine Mutter ist eine Kleptomanin!“

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