Der fluchbeladene Liebling

betr.: 80. Jahrestag der Frankreich-Premiere von „Son Of Frankenstein“* / Colin Clive

“Son Of Frankenstein” war 1939 der dritte Beitrag der Universal zu der klassischen Filmreihe, die aus dem Sensationserfolg „Frankenstein“ von 1931 erwachsen war. Das Monster, das ihn zum Star gemacht hatte (und umgekehrt), spielte Boris Karloff hier ein letztes Mal, aber er sollte noch in weiteren Filmen mitwirken, die diese Figur ausbeuteten und sie auf der Bühne noch erfolgreich parodieren. Nicht mehr mit von der Partie war der quasi titelgebende Mitwirkende selbst: der Schauspieler Colin Clive alias Dr. Frankenstein.
Er war im Jahr vor Beginn der Dreharbeiten gestorben, am Morgen des 25. Juni 1937 im „Cedars Of Lebanon Hospital“, früh dahingerafft von Tuberkulose und jahrelanger Alkoholsucht. In der Stunde seines Todes, der Erlösung von einem langen Martyrium, war nur das Pflegepersonal an seiner Seite.
Colin Clive hatte sich in der Army eine Beinverletzung zugezogen, die nie mehr richtig verheilt war, und seine gesamte Laufbahn als Schauspieler in England, New York und Hollywood in der Angst vor einer Amputation erlebt.

Cilves Begräbnisfeier am Venice Boulevard wurde von Beobachtern mit einer Gala-Filmpremiere verglichen: 300 Trauergäste – Starlets, Schauspieler und Agenten, Regisseure und Produzenten – besuchten die „Colonial Mansions“, die mit ihrem Prunk den Landsitz Tara aus „Vom Winde verweht“ vorwegnahmen.
Clive wurde im „Rosedale Krematorium“ eingeäschert, doch niemand fühlte sich danach für ihn zuständig – auch seine entfremdete Ehefrau in England nicht, die einen Kranz geschickt hatte. So verschwanden die sterblichen Überreste des Schauspielers vermutlich im Keller des Beerdigungsinstituts, das 1969 aufgelöst wurde. Zu diesem Zeitpunkt lagerten dort einige hundert vergessene Urnen. Sie wurden in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt. Sollte sich die Asche von Colin Clive unter ihnen befunden haben, hätte das seinem berühmtesten Part – dem „gottlosen“, „verrufenen“, „verhassten“ Wissenschaftler – bestens entsprochen.

Colin Clive Kaminbild
Fast so verfemt wie seine Traumrolle, aber immerhin unvergessen: Colin Clive über dem Kamin in „Son Of Frankenstein“. (Screenshot aus der DVD-Box „Frankenstein: Monster Classics (Complete Collection)“, Universal Pictures Home Entertainment)

In „Son Of Frankenstein“ immerhin wird der Verblichene in Handlung und Dekoration intensiv heraufbeschworen: in der Verlesung eines Briefes an seinen Erben, in einem Besuch seiner Gruft, und die seit jenen schrecklichen Ereignissen verwunschene Heimatgemeinde hat sogar seinen Namen angenommen: „Goldstadt“ heißt jetzt ganz offiziell „Frankenstein“. Besonders eindrucksvoll ist ein lebensgroßes Gemälde im Schloss, das Colin Clive als Henry Frankenstein zeigt. Was die Filmgesellschaft mit diesem köstlichen Souvenir angestellt hat, ist nicht mehr herauszubekommen.

In dem Quellenwerk „Rating The Movie Stars“ (1983) erhielt Colin Clive das Prädikat „cinema’s greatest sadomasochist“. Gregory William Mank gelangte bei seinen Recherchen für das Buch „Karloff And Lugosi – The Story of a Haunting Collaboration“ aber auch zu dem Eindruck, Clive habe eine so ergebene Schar von Fans zurückgelassen wie kein anderer Star des Horrorfilms. Viele, die von Manks Bewunderung für den Schauspieler und von der Arbeit an seinem Buch hörten, schickten ihm Zeichnungen, Gebetbücher und andere Botschaften, in denen sie ihre Bewunderung für Colin Clive zum Ausdruck brachten.
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* In der Bundesrepublik wurde der Film erst 1968 im Fernsehen uraufgeführt.

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