Die Marvels wie sie wirklich waren: Spider-Man (3)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben.

Die erstaunliche Spinne (Spider-Man) (Fortsetzung vom 2.4.2019)
von Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

Der Fall Gwen Stacy – Kein Opfer ist je vergessen

LeserbriefseiteLeserbriefseite aus „Amazing Spider-Man“ # 125 mit der Erklärung für Gwen Stacys Tod.

„Wer ist wirklich schuld am Tod von Gwen Stacy?“ ist eine Frage, die Comicfans seit Jahrzehnten beschäftigt. Ein Versuch der Aufklärung des Falls durch Interviews mit den Verantwortlichen Stan Lee, Roy Thomas, Gerry Conway, John Romita und Gil Kane im Jahr 1999 (Comic Buyer’s Guide # 1277), führte zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. 2005 griff Physikprofessor James Kakalios die Schuldfrage erneut auf. Er suchte die Antwort jedoch nicht bei den Comic-Schaffenden, sondern in den bestehenden Naturgesetzen. Damit muss die Frage lauten: „Hätte Peter Parker alias Spider-Man seine geliebte Freundin überhaupt retten können?“
Zumindest die Aussage des Grünen Kobolds, dass jeder beim Fall aus einer solchen Höhe bereits vor dem Aufprall gestorben wäre, scheint an den Haaren herbeigezogen. Gwen Stacy war bewusstlos, also kann sie kaum vor Angst gestorben sein. Und Fallschirmspringer, Skydiver, Base- und Bungeejumper beweisen immer wieder, dass man von weit höher frei fallen kann, ohne gleich zu sterben. Hatte Norman Osborn, Chef eines Forschungsimperiums wie Oscorp, keine Ahnung von Physik? Wohl kaum. Eher scheint es, als wollte er Spideys Hass auf ihn schüren, indem er dessen Hilflosigkeit gegenüber der gestellten Aufgabe (Gwens Rettung) überspitzt.

In seinem Buch „Physik der Superhelden“ (US-Ausgabe 2005, dt. bei Rogner und Bernhard, 2006) formuliert James Kakalios die entscheidende Frage deshalb folgendermaßen: „Wie groß ist die Kraft, die von Spider-Mans Spinnenfaden in dem Augenblick ausgeht, in dem er den Sturz von Gwen Stacy stoppt?“. Kakalios‘ Berechnungen sollten die drei o.g. Fragen ein für allemal beantworten und auch die letzten Unklarheiten beseitigen. Mit den beiden Formeln v²=2gh (Anfangsgeschwindigkeit im Quadrat ist gleich zwei mal Schwerebeschleunigung mal Höhe) und F=ma (Newtons zweites Bewegungsgesetz, Kraft mal Zeit ist gleich Masse mal Änderung der Geschwindigkeit) lässt sich dies relativ einfach berechnen. Kakalios geht von einer Höhe von etwa 100 m im Freien Fall aus, ehe Spideys Netz Gwen erreicht, was einer Geschwindigkeit von ca. 160 km/h entspricht. Bei einem geschätzten Gewicht von 50 kg wirken rund 4500 Newton auf Gwens Körper. Beträgt die Zeitspanne dabei 0,5 Sekunden, wird Gwen einer Beschleunigung von 10 G ausgesetzt. Von daher macht es kaum einen Unterschied, ob der Aufprall auf der Wasseroberfläche oder Spideys Netz den Fall stoppt. Um Gwen zu retten, hätte Spider-Man seiner Geliebten hinterherhechten müssen, wie Tobey Maguire es 2002 in der Filmversion auf der Queensboro Bridge mit Mary Jane Watson machte (diese Szene entstand in Anlehnung an ASM # 121). Dass auch eine menschliche Spinne aus ihren Fehlern lernt, belegt eine Szene aus „Spider-Man Unlimited“ # 2 vom Mai 2004 (siehe Abbildung).

RettungDie deutsche Version der Rettungsvariante befindet sich in „Der Spektakuläre Spider-Man“ Nr. 22 von Marvel Deutschland/Panini, Dezember 2005.

So gesehen hat Peter Parker seine Freundin beim Rettungsversuch selbst getötet. Die einzige Überlebenschance wäre ein Abschießen des Netzes, nachdem er sich in die Tiefe gestürzt und Gwen sicher im Arm gehabt hätte, gewesen. Fakt ist, dass die meisten Selbstmörder sich beim Sturz von einer Brücke das Genick brechen und nicht ertrinken. Auch wenn es traurig ist, Spider-Man bzw. Peter Parker hätte es als Physik-As besser wissen müssen. Das befreit den Grünen Kobold  zwar nicht ganz von der Schuld, doch Spidey trug den entscheidenden Teil zu Gwen Stacys Tod bei.

Eigentlich hatten die Schöpfer der Story die Frage bereits vier Monate nach den o.g. Ereignissen auf den Leserbriefseiten in „Amazing Spider-Man“ # 125 beantwortet. Irgendwie scheint dies aber niemand mitbekommen zu haben. Erst fünfundzwanzig Jahre später beförderte Arnold T. Blomberg für seinen Artikel „The Shooting Gun“ in „Comic Book Marketplace“ # 67 (März 1999) die Wahrheit ans Tageslicht. Wären andere Leser ebenso aufmerksam gewesen, hätte sich das jahrelange Nachfragen, z.B. in „Wizard“ # 1/2000 erübrigt. Denn, so heißt es in ASM # 125: „(…) es erfüllt uns mit Trauer, zugeben zu müssen, dass es tatsächlich der Rückstoßeffekt war, dem Gwen Stacy ausgesetzt wurde, als Spideys Netz ihren Fall so abrupt stoppte, der ihren Tod verursacht hat“.

Bildzeile Gwen StacyEine bissige Parodie auf Gwen Stacys Todesszene aus „Comics Feature“ # 6 vom Oktober 1980 (lks.). Die Aussicht auf ein Eheleben mit Frau und Kindern scheint Spidey nicht besonders zu gefallen. Forts. folgt
 

 

 

 

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Eine Antwort zu Die Marvels wie sie wirklich waren: Spider-Man (3)

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