Die schönsten Hörspiele, die ich kenne (8): „Volpone“

„Volpone“, Hörspiel nach dem Theaterstück „Volpone, or The Fox“ von Ben Jonson, aus dem Englischen von Stefan Zweig – mit Heinz Moog, Heinz Drache, Fritz Rasp und anderen, Regie:  (zumindest BR 1957 (89 min.) – Besetzung und weitere Infos unter https://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/ausstrahlung-1738344.html

„Das rechte Gold ist rundgeprägt, damit es rollt und sich bewegt!
Mag einer noch so hurtig sein – er kriegt’s nicht still, er holt’s nicht ein!
Und so wie heut bleibt allezeit und allerorts und jederlands
der gleiche Pfiff und Tölpeltanz, der alle Welt zum Narren hält:
um Geld, um Geld!“

Der reiche venezianische Kaufmann Volpone stellt sich krank und lässt sein Umfeld glauben, es gehe zuende mit ihm. Er will doch mal sehen, was sich die Leute so alles einfallen lassen, um sich bei ihm einzuschleimen. Um in seinem Testament bedacht zu werden, überhäufen ihn die besseren Bürger mit Geschenken, und je gieriger sie sind, desto großzügiger fallen ihre Gaben aus. Volpones Gehilfe Mosca inszeniert dieses Affentheater, macht aus dessen Siechtum eine große Show und provoziert die Speichellecker, die in das Haus seines Herrn kommen, zu immer absurderen Gunstbezeugungen. In der Verachtung dieser Leute sind sich Mosca und sein Meister einig. Doch Mosca treibt sein ganz eigenes Spiel.

Der Mosca ist so ziemlich die schönste Rolle, die ein junger Schauspieler verkörpern kann: einnehmend, temperamentvoll und doch ein Halunke übelster Sorte, der vom tumben Fach des jugendlichen Liebhabers nicht weiter entfernt sein könnte. Trotzdem (auch die betagte Titelrolle und die vielen Nebencharaktere sind ja überaus dankbar) und obwohl „Volpone“ zu den Klassikern des Kanons gehört, ist das Stück unter Schauspielern weitgehend unbekannt (zumindest nach meiner persönlichen Statistik). Das hängt unzweifelhaft damit zusammen, dass die großen Zeitgenossen des Autors Ben Jonson diese Ära gewissermaßen unter sich aufgeteilt haben. (In Lexika heißt es immer etwas scheinheilig: „Ben Jonson (1572 – 1637) englischer Dichter und Bühnenautor. Gilt als wichtigster Dramatiker der Renaissance neben William Shakespeare und Molière …“ oder so ähnlich.)

Zum Glück ist Stefan Zweigs deutsche Fassung (die meistgespielte in unserem Sprachraum) als Hörspiel dokumentiert. Und segensreicherweise entstand dieses zu einer Zeit, als es noch kein Regietheater gab; man kann die historischen Kostüme und die edlen Bauten förmlich knarren und knistern hören. Es wurde zu einer Zeit aufgenommen, als die Schauspieler noch in geräumigen Ateliers agierten, als jeder Gang und jeder Ausruf noch seine natürlich Akustik entfalten durfte. Die burleske Spielfreude dieses Ensembles um den jungen Heinz Drache wäre heute (auf der Bühne wie auch im Radio) vollkommen undenkbar. Niemand musste sich ausziehen und vollschmieren, keine „grellen“ Effekte verderben uns den Spaß, kein soziologischer Kick! Niemand schiebt uns den heutigen „Turbokapitalismus“, garstige „Heuschrecken“ oder andere Aktualizismen unter der Tür durch.
Dieses Juwel von einem Hörspiel war noch nie so wertvoll und vergnüglich wie heute!

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