Die Marvels wie sie wirklich waren: The Avengers / Die ruhmreichen Rächer (1)

Diese Serie mit Artikeln zur Geschichte der Marvel Comics aus dem Silver Age ist eine Übernahme aus dem Fanmagazin „Das sagte Nuff“ (2005-10). Ich bedanke mich herzlich für die Genehmigung, sie hier wiederzugeben.

Die ruhmreichen Rächer (The Avengers) 
von Daniel Wamsler
http://dassagtenuff.blogspot.com/

Räücher_Williams_Nr. 1

Die Rächer in Deutschland

Um es gleich vorweg zu nehmen, fast kein deutscher Verlag hielt sich konsequent an die Namen der einzelnen Mitglieder. Hawkeye mit dem deutlich sichtbaren „H“ auf seiner Kopfbedeckung wurde nacheinander eingedeutscht mit Adlerauge, Falkenauge (Williams änderte dafür das H in ein F) und Hannibal (Condor macht’s möglich). Bei Captain America wurde der Kontinent mal mit k und mal mit c geschrieben, Iron Man hieß Eisenmann oder der Eiserne, Giant-Man wurde mit der Gigant und Goliath betitelt, obwohl der richtige Goliath erst ab „Avengers“ # 28 auftauchte. Bei den letztgenannten Beispielen gab es die Namenswechsel vor allem in der Williams-Anfangsphase teilweise innerhalb ein und desselben Hefts. Und Wanda war entweder die Scharlachhexe, was leider mehr nach einer schlimmen Krankheit als nach einer Superheldin klingt, oder die Rote Hexe.

1967 bis 1972

Nach der „Spinne“ und den „Fantastischen Vier“ erhielten „Die Rächer“ ihre eigenen Hefte innerhalb der Hit Comics des bsv. Dass der Verlag nicht mit Veröffentlichung der Erstausgabe der „Avengers“ begann, muss vermutlich nicht näher erläutert werden. Das erste deutsche Abenteuer der entsprach „Avengers“ # 27 (Hit Comics Nr. 23). Zu diesem Zeitpunkt bestand das Team aus Captain America, Hawkeye, Quicksilver und Scarlet Witch. Giant-Man und Wasp tauchten in diesem Heft nicht auf, da sie sich auf einem Forschungsschiff befanden. Der Einstieg beim bsv geschah kurz nach der Entführung der Wespe  durch Meeresbösewicht Attuma. Durch diese Aktion sah sich der Rest der Truppe gezwungen, in die Unterwasserwelt einzutauchen. Wandas und Pietros Kurzauftritt aus Thor # 134 („… possibly the briefest, most unnecessary guest appearance you’ve ever seen!“) brachte der bsv erst in Hit Comics Nr. 38, was der Chronologie auch nicht gerade förderlich war. Captain America dagegen tauchte bereits als Zweitstoryheld in Hit Comics Nr. 14 auf, allerdings hießen die Avengers dort noch „Bestrafer“, kurz darauf „Strafer“ (Hit Comics Nr. 16) und schließlich korrekt „Rächer“ (Hit Comics Nr. 18). Die weiteren Eigennamen in Hit Comics Nr. 23 waren jedoch auch nicht von schlechten Eltern. Aus dem Sub-Mariner wurde der „Unterwasserherrscher“ und aus Hawkeye „Adlerauge“. Der zunächst namenlose Käfer (The Beetle) wurde zusammen mit dem „Giganten“ (Giant-Man) für die Fortsetzung angekündigt, was dem Original entspricht. Insgesamt kann sich die Übersetzung von „Tödliche Fluten“ („Four Against The Floodtide!“) wirklich sehen und lesen lassen. Denn schließlich ist Adlerauge eine treffende Bezeichnung für einen scharfsichtigen Bogenschützen, selbst wenn es sich um den falschen Vogel handelte und das „H“ auf seiner Kappe auch nicht wirklich passte. Jedenfalls wurde nicht Wort für Wort, sondern weitestgehend sinngemäß eingedeutscht. Wenn man mal von „Weib“ als Bezeichnung für Wanda und den bereits aufgeführten Eigennamen absieht, bleibt kaum Raum für Kritik. In den Credits tauchte Artie Simek als Zeichner (anstatt Letterer) auf und Inker Frankie Ray (Frank Giacoia) schrieb man den „Entwurf“ zu. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass sich die Rächer untereinander siezten.

Etwas zwiespältig ist das nächste Rächer-Heft. Dort gibt es auf der einen Seite Sätze, die man nicht besser ins Deutsche hätte transponieren können (z.B. „Katze im Mauseloch“, S. 11), auf der anderen Seite aber auch den Schlachtruf der Rächer („Avengers assemble!“) als „Rächer auf großer Fahrt!“ (S.6, Aua!). Wandas „Hex Power“ wird zur „Zauberwaffe“, Adlerauge meint, dass er im letzten Heft „aufbrechen wollte nach Attuma!“ und auch „Käpten Amerika“ dürfte nicht als gängige Schreibweise durchgehen. Größere Probleme macht die Chronologie. Kraftmann, Schwertmann und die Schwarze Witwe werden angekündigt, erscheinen jedoch nicht. In der nächsten deutschen Ausgabe erfolgt der Querverweis auf „die Schlange“ und Bill Foster, die der bsv-Leser bis dato ebenfalls nie zu Gesicht bekam. Genauso mysteriös bleibt die Erwähnung von Adlerauges Freundin Natascha (Hit Comics Nr. 38). Hit Comics Nr. 46 und 54 nennen Stan Lee als Autor, die Storys stammen jedoch von Roy Thomas, dem man im zweitgenannten Heft den Posten des Zeichners gab. Hawkeye heißt ab diesem Zeitpunkt Falkenauge und die Rächer duzen sich. Natascha taucht erstmals persönlich auf, dafür wird Henry Pyms Vergangenheit als Ant-Man verschwiegen.

Damit sind die gröbsten Kinderkrankheiten beseitigt und die Rächer erscheinen chronologisch bis Hit Comics Nr. 118 (Avengers # 51/52). Anschließend hinterlässt der bsv diverse mehr oder weniger große Lücken, so dass eine sinnvolle Verfolgung der Ereignisse kaum möglich ist. Mit Hit Comics – „Die Rächer“ Nr. 215 (Avengers # 90) erscheint das letzte Heft der bsv-Reihe. Insgesamt wurden zwischen o.g. Ausgaben achtundzwanzig Hefte und die ersten beiden Annuals ausgelassen. Das größte Missgeschick bleibt jedoch unbestritten die Einführung von Yellowjacket (Avengers # 59) in Hit Comics Nr. 151. Ausgerechnet bei diesem Titelbild vertauschten die bsv-Mitarbeiter die Farbfilme. Allerdings geschah dies wohl schon bei der Vorproduktion, da das Hit Comics-Logo korrekt gelb hinterlegt ist. Laut schreit Hank Pym auf Seite 1 den Titel: „Ich bin… der Gelbe!“ heraus – aus seinem rosafarbenen Kostüm! Yellow und Magenta waren vertauscht worden …

1974 bis 1978

Erst der Williams Verlag verhalf den Rächern zu ihrem Status. Zwar gab es auch hier in der Frühphase Differenzen bei der Übersetzung, diese betrafen jedoch meist die separat vom Inhalt übersetzten Titelbilder. Z.B. der Eiserne vs. Eisenmann und Gigant vs. Goliath (wie er ab „Avengers“ # 28 mit neuem Dress ja tatsächlich hieß). Die Reihe lief so erfolgreich, dass die Rächer ab Nr. 25 (Januar 1976) auf vierzehntägige Erscheinungsweise umgestellt wurden. Wieso und weshalb Williams das „vierzehntäglich“ nannte, bleibt offen. Mit einer einzigen Ausnahme (Avengers # 6) zog der Verlag die Veröffentlichung von stolzen einhundert Heften durch. Kürzungen gab es so gut wie keine, lediglich die erste Seite aus „Avengers“ # 83 und das vierunddreißigseitige „Avengers“ # 93 wollten nicht so recht hineinpassen. Die frühe Williams-Lücke schloss Condor bereits ein Jahr nach der Einstellung bei Williams mit Rächer Taschenbuch Nr. 1 und den vollständigen Abdruck des (Avengers # 93-97) präsentierte Panini 2002 in „Marvel Exklusiv“ Nr. 40. Ansonsten lieferte Williams eine vorbildliche Edition, die keine Wünsche offen lässt.

Nuff004_Rächer Übersetzungsvergleich
Perfekte (untere Zeile links) und weniger perfekte Übersetzung (oben) in ein und demselben Heft: aus Hit Comics Nr. 30 bzw. „Avengers“ # 28, Seite 6 und 11. Die wortwörtlich am Original klebende Williams-Version im letzten Bild wirkt etwas umständlich (Rächer Nr. 27).

1979 bis heute (2006)

Kaum ein Jahr nach Williams startet Condor gleich mit zwei deutschen Erstveröffentlichungen (auch wenn es damals vielleicht nicht viele bemerkt haben) in „Rächer“ Taschenbuch Nr. 1. Chronologisch bringt der Verlag „Avengers“ # 1 – 6 und damit die einzige Nummer, die Williams ausließ. Dazu folgt die Entstehungsgeschichte von Thor (Journey Into Mystery # 83) im Original-Seitenlayout, sowie JiM # 85 und „Hulk“ # 6. Also gleich drei Storys, die Condors Vorgänger so nicht brachte. Eine beachtliche Leistung, wenn man vom verkleinerten Format absieht. Für das Titelbild muss Jack Kirbys „Avengers“ # 4 herhalten, ebenfalls ein guter und verkaufsfördernder Zug. Den direkten Anschluss liefert „Rächer“ Taschenbuch Nr. 2 mit „Avengers“ # 7 – 10, JiM # 86, sowie „Avengers“ # 11, 17 und 12. Noch genialer fällt das dritte Taschenbuch aus, „Avengers“ # 102 – 108 mit der Fortsetzung von Williams. Weitere wichtige Rächer-Klassiker aus dem Hause Condor sind „Marvel Comic Sonderheft“ 9 (Avengers Annual # 1 von 1967, nach Williams-Rächer 44) und „Rächer“ Taschenbuch Nr. 6 mit „Avengers Annual“ # 2 (1968, nach Williams-Rächer 57). „Avengers“ # 109 und 110 folgen in Spinne Nr. 9 und 10 und „Rächer“ Taschenbuch Nr. 7. Condor veröffentlicht insgesamt siebenundvierzig „Rächer“ Taschenbücher. Darin erschienen die US-Nummern 203 bis 351 nahezu lückenlos und im Wechsel mit der überformatigen Serie „Marvel Comic Stars“ in der halbwegs korrekten Reihenfolge. Lediglich „Avengers“ # 209, 250 und 348 wurden übersprungen. Den Fünfteiler „Bloodties“ (Avengers # 368/369), der querbeet durch mehrere US-Marvel-Reihen lief, brachte Condor in „Captain America“-Taschenbuch Nr. 26. Panini lässt die Rächer 1998 mit der Onslaught-Phase (Avengers # 401-402) und dem eigentlichen Schluss der Reihe in „X-Men“ Nr. 22-23 vom Stapel, bevor die „Wiedergeburt der Helden“ beginnt. Die Veröffentlichung klassischen Materials hält sich in Grenzen. Im Frühjahr 1999 erscheint das Hardcover „Marvel Klassik“ Bd. 5 mit „Avengers“ # 1-10. Ende desselben Jahres folgt der Nachdruck der Erstausgabe als Einzelheft im elften Jubiläumspack (sinnigerweise vergisst man die Tüpfelchen im Titel, wodurch aus den Avengers „Rächer“ werden). Erst drei Jahre später folgt mit „Marvel Exklusiv“ Nr. 40 der nächste klassische Rächer-Band.

Rächer voranAVENGERS ASSEMBLE! Letzte Seite aus Hit Comics – Die Rächer Nr. 213 (Avengers # 71). Für die deutsche Version wurde die Sprechblase verkleinert und das “Fin”-Täfelchen am unteren Rand entfernt. Zeichner: Sal Buscema & Sam Grainger.

Forts. folgt

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